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Ordensburg Vogelsang: Mediale Wirrungen um den „Täterort“

von Stefan Evertz am 29.01.07 um 7:56 Uhr |

Es ist immer wieder spannend, wie unterschiedlich (journalistische) Wahrnehmung ausfallen kann. Da ich seit einem ersten Blick auf die Ordensburg Vogelsang (Luftbild bei maps.google.de) im Sommer 2005 (siehe auch „Ordensburg Vogelsang – Noch heute eindrucksvoll (Update)„) die Geschehnisse seit dem Abzug der Belgier verfolge, stiessen bei mir die Zeitungsberichte rund um die im November 2006 „aufgedeckte“ Verwicklung von „Ordensschülern“ in die Massenmorde in Osteuropa während der NS-Zeit auf besonderes Interesse.

Die Aachener Zeitung gab am 23.11.06 unter dem Titel „Auf Vogelsang Massenmörder ausgebildet“ einige eindeutige Zitate wieder (siehe auch www.aachener-zeitung.de/):

Die Eliteschule der Nazis in der Eifel muss nach Expertenmeinung historisch neu bewertet werden. Der auf der ehemaligen „NS-Ordensburg Vogelsang“ ausgebildete Nazi-Führungsnachwuchs war nach aktuellen Erkenntnissen später an Massenmorden im Osten beteiligt.

Das hat eine erste Sichtung des Archivs ergeben, das sich nach Abzug des belgischen Militärs vor einem Jahr im Besitz der Eifelstadt Schleiden befindet. „Eine Bewertung von Vogelsang als Täterort muss neu vorgenommen werden“, sagte der parteilose Bürgermeister von Schleiden, Ralf Hergarten, am Donnerstag.

Die ehemalige Eliteschule der Nazis liegt im Nationalpark Eifel. Vor einem Jahr begann die zivile Nutzung. „Es hat sich herausgestellt, dass fast alle Junker, die auf Vogelsang ausgebildet wurden, später an Massenmorden beteiligt waren“, sagte Hergarten.

Fast alle Junker hätten später als führende Verwaltungsbeamte in der Ukraine maßgeblich an der Ermordung von vielen tausend Menschen mitgewirkt.

Und die Kölnische Rundschau schrieb am 24.11.06 unter dem Titel „Täterort Vogelsang“ (siehe auch www.rundschau-online.de):

Er fand heraus, dass die NS-Ordensburgen (insbesondere Vogelsang und Krössinsee) eine bedeutende Rolle bei der deutschen Zivilverwaltung in den besetzten Gebieten Osteuropas gespielt haben. Nahezu jeder zweite „Gebietskommissar“ (vergleichbar einem Landrat) im „Reichskommissariat Ukraine“ hatte eine dieser Ordensburgen durchlaufen. Die Tötung der Juden in Osteuropa während der so genannten „zweiten Tötungswelle“ stand in unmittelbarem Zusammenhang mit den „Ordensschülern“. Heinen: „Vogelsang war Täterort. Da wurde die Axt geschärft, die im Osten geschwungen wurde.“

Die Fakten stellten sich dann beim Kölner Stadt-Anzeiger etwas anders dar, als dort am 24.11.06 unter dem Titel „Vogelsang-Junker am Holocaust beteiligt“ folgendes zu lesen war (siehe auch www.ksta.de):

Hatte man bislang angenommen, dass in den Eliteschulen der Führungsnachwuchs des Dritten Reiches zwar ausgebildet wurde, dann jedoch in den Wirren des Krieges nicht mehr an den ihm eigentlich zugedachten Positionen zum Einsatz kam, so wird nun klar, dass es zwischen Vogelsang und dem Holocaust eine direkte, schreckliche Verbindung gab.[…]

Anhand von alten Burgzeitschriften, die so genannte „Sippentafeln“ enthielten, gelang es ihm, nahezu 1500 Namen von „Junkern“ und „Stammführern“ der Ordensburgen Vogelsang und Krössinsee zu ermitteln. „95 Prozent der Burgmannschaft absolvierten eine klassische Militärlaufbahn“, berichtete Heinen. Als „fanatische Soldaten“ hätten die meisten von ihnen hochdekoriert ihr Leben an der Front verloren. „Bei fünf Prozent jedoch stellte ich fest, dass ihnen das Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern verliehen worden war.“ Diese Ehrung habe man jedoch nicht für Tapferkeit vor dem Feind, sondern für Kriegsverwaltungseinsätze erhalten. Heinen machte daraufhin eine schockierende Entdeckung: „Vor allem die Stammführer und Junker der Ordensburgen übernahmen führende Funktionen bei der deutschen Zivilverwaltung in den besetzten Gebieten Osteuropas“. […] „In dieser Funktion waren die Gebietskommissariate mit verantwortlich für die Gettoisierung, Entrechtung und schließlich die Vernichtung der osteuropäischen Juden durch Massenerschießungen im Zuge der so genannten ‚zweiten Tötungswelle'“, berichtete Heinen. Mehrere der aus den Ordensburgen stammenden Nazis würden in Abhandlungen aus der Nachkriegszeit ausdrücklich als „Schlächter“ bezeichnet, die die Mitverantwortung für Massenerschießungen trugen.

Die am 29.11.06 veröffentlichte „Gegenrede“ von Hans-Dieter Arntz, dem Autor eines Standardwerks zum Thema „Ordensburg Vogelsang“, zeichnet dann endgültig ein anderes Bild (siehe auch www.hans-dieter-arntz.de):

Seit einiger Zeit besteht die Gefahr, dass effekthaschende Artikel der Eifler Regionalpresse und kommunale Ignoranz den Aspekt des verbrecherischen Nationalsozialismus unbewusst in den Vordergrund stellen. […]

Zurzeit kumuliert die Erkenntnis, dass ein zurückgeholtes Archiv angeblich belegt, dass fast alle ehemaligen Junker nachweisbar Mörder und Kriegsverbrecher gewesen wären! Da solche Zeitungsberichte offenbar unkontrolliert nicht nur im ländlichen Bereich der Eifel, sondern nachweisbar auch durch Presseagenturen multipliziert werden, könnte die Gefahr eines neonazistischen Protestes bestehen. Und das leider mit Recht!!

Die Verantwortlichen des ehemaligen Archivs distanzieren sich mit Recht von den Aussagen dieser Pressemeldungen. Ein belgisches Ministerium teilte mir inzwischen telefonisch mit, dass es gar nicht gestattet sei, ohne ministerielle Genehmigung NS-Akten auszuhändigen, und dass dies natürlich auch nicht geschehen sei!

Mir geht es hier nur am Rande um die Frage, ob und in welchem Umfang Ordensburg-Absolventen in die NS-Verbrechen in Osteuropa verwickelt waren. Wenn ich mir die Ausführungen von Hans-Dieter Arntz durchlese, dürfte es ohnehin schwierig werden, einen solchen Zusammenhang aus dem auftauchten „Archiv“ abzuleiten oder gar zu belegen. Andererseits wäre es sicherlich mehr als nachvollziehbar, wenn die Indoktrination der „Schüler“ im Rahmen des Ordensburg-Besuchs solche Auswüchse gefördert hätte.

Deutlich ärgerlicher finde ich jedoch die journalistischen Nachwirkungen – und die offenbar sehr unterschiedliche Wiedergabe der gleichen Quelle. Nun war ich bei der Pressekonferenz nicht dabei, aber es wundert mich doch sehr, dass an einer Stelle von „fünf Prozent“ der Absolventen die Rede ist (bei etwa 1.500 Absolventen wären dies etwa 75 Personen), an anderer Stelle aber davon gesprochen wird, dass „fast alle Junker“ an Massenmorden beteiligt gewesen seien.

Im Jahr 2006 haben etwa 140.000 Besucher die Gelegenheit genutzt, erstmals einen Blick auf die düstere Immobilie zu werfen (siehe auch www.aachener-zeitung.de[2]). Es bleibt jedenfalls zu hoffen, dass durch die eingangs zitierten Medienberichte nicht künftig verstärkt die „falschen“ Personengruppen angezogen werden …

Ordensburg Vogelsang – Noch heute eindrucksvoll (Update)

von Stefan Evertz am 19.09.05 um 16:14 Uhr |

Inmitten der ansonsten eher ruhigen und beschaulichen (Nord-)Eifel liegt die Ordensburg Vogelsang, laut einem Wikipedia-Eintrag die „zweitgrößte bauliche Hinterlassenschaft des Nationalsozialismus in Deutschland“.

Das nachfolgende Bild entstand bei einer Rad-Tour im August 2005. Es kann aber nur unzureichend die eigenartige Atmosphäre wiedergeben, die uns bei der Betrachtung der „Burg“ überkam, die dunkel und drohend das Tal rund um die Urfttalsperre beherrscht. In jedem Fall lohnt sich ein Besuch des Aussichtspunktes im Rahmen der aktuellen „Öffnungszeiten“ des Sperrgebietes. Da von Gemünd aus geschätzte 7-10 Kilometer zurückzulegen sind, sollte man nach Möglichkeit das Fahrrad nutzen (besonders wenn man so fussfaul ist wie ich).

Ordensburg Vogelsang Sie wurde von 1934 bis 1936 erbaut, um „Führernachwuchs“ für die NSDAP auszubilden. Ab 1950 wurde die Ordensburg sowie etwa 42 Quadratkilometer umgebendes Land durch die Belgische Armee als Truppenübungsplatz genutzt. Dabei blieb die ursprüngliche Bausubstanz in weiten Teilen erhalten und lediglich durch weitere Bauten (Kaserne, etc.) erweitert. Die Nutzung endet am 31.12.2005.

Das Gebiet des Truppenübungsplatzes bleibt bis zum 31. Dezember 2005 militärisches Sperrgebiet; an Wochenenden und Feiertagen können allerdings ausgewiesene Wege im Sperrgebiet zum Wandern genutzt werden, darunter der Urftseerandweg (Kreisradweg K7) von Gemünd-Malsbenden. (Quelle: www.foerderverein-nationalpark.de).

Weitere Informationen:

Update 21.02.06, 22:29 Uhr
Seit dem 01.01.2006 ist das Gelände der ehemaligen Ordensburg Vogelsang nun auch für die Öffentlichkeit zugänglich. Wie aus der Region zu hören und zu lesen ist, nutzen immer mehr Menschen die Möglichkeit, das Gelände, die Gebäude und auch das Dorf Wollseifen zu besichtigen.
Auch finden mittlerweile neben den Führungen am Wochenende auch unter der Woche um 14:00 Uhr Führungen statt, wie der örtlichen Presse zu lesen ist.

Weitere Informationen gibt es unter www.serviceagentur-vogelsang.de, wobei leider die dort genannten Informationen nicht auf dem neuesten Stand sind 🙁

Update 29.01.07, 07:50 Uhr
Es sei der Vollständigkeit halber angemerkt, dass die Informationen auf der vorgenannten Website schon seit längerem „aktuell“ gehalten werden – auch eventuelle Anfragen per E-Mail werden zeitnah beantwortet.

Senfmühle Monschau und Schnabuleum

von Stefan Evertz am 18.09.05 um 17:22 Uhr |

Auch wenn wir schon diverse Male den Weg in die Eifel nach Monschau zur „Historischen Senfmühle“ und immerhin schon zweimal zum angeschlossenen Restaurant „Schnabuleum“ gefunden haben, wollen wir nun endlich mal ein digitales Loblied anstimmen 🙂

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Westwall, die Erste

von Stefan Evertz am 19.08.05 um 16:45 Uhr |

Das letzte Wochenende haben wir – bei erstaunlich gutem Wetter – in der (Nord-)Eifel zugebracht. Nachdem aber das Leben nicht nur aus Essen (z.B. im Schnabuleum in Monschau) bestehen kann, haben wir uns auch einige historische Stätten angesehen. Neben der Ordensburg Vogelsang führte uns der dann doch verregnete Sonntag nach Vossenack in die Ausstellung „Hürtgenwald 1944 und im Frieden“.
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