Wie zieht man ein umfassendes Fazit zu einer großen Veranstaltung mit atemberaubend vielen Menschen? Gar nicht, vermute ich – man hat ohnehin nur einen kleinen Ausschnitt der re:publica 2013 wahrnehmen können, die mit etwa 5.000 TeilnehmerInnen die größte re:publica aller Zeiten war. Aber drei Punkte ragen für mich doch aus der letzten Woche hervor – und eine persönliche Begegnung ganz besonders.
Die Blase ist geplatzt
Denn ich traf während der re:publica auch auf einen Menschen, den ich bisher als Teil „unserer“ Blase rund um das Thema Netzpolitik wahrgenommen habe (wenn auch nicht mitten in Deutschland). Im Gespräch stellte sich aber heraus, dass ich dieser Person das wirkliche Problem beim Thema Netzneutralität (im Kontext der aktuellen Telekom-/Drosselkom-Debatte) erklären musste (siehe z.B. netzpolitik.org). Und mir wurde schlagartig klar, dass unsere Blase wirklich endgültig geplatzt ist. Denn wenn selbst „wir alle“, die wir tagtäglich im (Social) Web unterwegs sind, hier nicht mehr den Ãœberblick behalten und untereinander für Klarheit sorgen können, dann ist sie endgültig geplatzt, diese Blase, deren durchaus wichtige Bestandteil eben auch die re:publica war – von den Signalen und Impulsen, die früher mal von dieser Veranstaltung ausgingen, mal ganz zu schweigen…
Es ist kein Klassen- oder Familientreffen
Im Kern hat Dirk Baranek diesen Gedanken letztes Jahr sehr treffend formuliert. Denn bei einem Klassentreffen trifft man eben auch die Idioten und die Nervensägen, die man eigentlich nie wiedersehen wollte. Ok, bei einer so großen Gruppe sind da definitiv auch ein paar Personen aus dieser Kategorie dabei. Aber das ist ein anderes Thema und ändert nichts am Phänomen – man trifft extrem viele Menschen aus seinen Timelines, Streams und Kreisen und in aller Regel sind das eben „like-minded people“. Oder kürzer gesagt: Flausch!
Eine Plattform ist kein Inhalt
Es ist beeindruckend, wie die Veranstalter es schaffen, so viele Menschen an einen Ort zu bringen und diese mit Essen, Trinken und Gesprächsstoff zu versorgen (auch wenn die völlig unerwartete Verfügbarkeit eines WLANs fast schon die Abmahnung rechtfertigt – das geht so nicht!). Und so wie die re:publica bis vor zwei Jahren in meinen Augen vor allem im Hof der Kalkscheune (und später um die Treppe vor dem Friedrichstadtpalast erweitert) stattfand, so war die re:publica diesmal der Hof vor der Station (und vielleicht noch ein bisschen die großflächig verteilten Reste des Affenfelsens in der Halle). Dort durften wir drei lang Tage einen unglaublich kreativen, durchaus auch sehr flauschigen und vielfach in sich vernetzten Netzwerk-Knoten erleben, von dem wir alle noch Wochen und Monate zehren werden, was neue Ideen, Projekte und Kooperationen betrifft.
Der vielbeschworene (und auch vielfach vermisste) Inhalt aber machte die re:publica vermutlich noch nie aus, jedenfalls am allerwenigsten in diesem Jahr – das höre ich auch aus vielen Artikeln und Recaps heraus. Das scheint mir auch weder als Kritik an den Speakern und Kuratoren gemeint noch auf die gelegentlichen kleinen inhaltlichen und organisatorischen Schwächen bezogen zu sein. Denn das Borg-Raumschiff „re:publica“ zieht seine Kraft und seine Energie vor allem aus den einzelnen Akteuren, die drei Tage Teil des Kollektivs in den Höfen und Freiflächen waren. Und vermutlich wird das alles auch nächstes Jahr weiter wachsen. Und wir werden da sein.
Insofern (und / oder auch trotz allem): Danke an alle Teilnehmer, Sprecher, Orga und die Sponsoren für drei tolle Tage!
Und wer noch ein Blick auf die Inhalte werfen will: Einen ersten kompakten Vorgeschmack findet sich unter diesistkeineuebung.com (empfehle da besonders einen Blcik auf die Infografik…) und dann wäre da noch ein klickbarer Sessionplan der re:publica, der einen schnellen Zugriff auf alle vorhandenen Videoaufzeichnungen bietet…
Photo credit: Johannes Martin via photopin cc
Menschliche Kommunikation ist immer mehr als nur Informationstransfer. Jede Konferenz ist vor allem ein soziales Event. Der Inhalt ist auch gut. Aber vor allem ist er der Vorwand, den man braucht, um teilzunehmen. Außerdem ist er natürlich auch immer Gesprächsimpuls. Man stelle sich eine re:publica ohne Sessions vor. Dann muss die Musik lauter und mehr Alkohol aufgefahren werden. 😀
Pingback: Die dicksten Bretter kommen noch | hirnrinde.de