Der Umgang eines Bloginhabers mit den eingehenden Kommentaren dürfte wohl nach wie vor einer der am meisten diskutierten Aspekte der Blogosphäre sein. Egal ob es um das Thema „Spam“ geht (und somit in aller Regel um die effektivste Filterung bzw. Entsorgung) – oder eben um die Rückmeldungen von Lesern bzw. von deren Blogs. Im aktuellen Fall geht es drüben bei Robert unter www.basicthinking.de/blog um den „Streit“ zwischen zwei Fotobloggern, weil Blogger A in seinem Blog Kommentare von Blogger B gelöscht hat (die gelöschten Kommentare finden sich unter www.basicthinking.de/blog[2]).
Eines ärgert mich mittlerweile wirklich an Diskussionen wie diesen: Die schnell aufkommende Unterstellung, es würde Zensur praktiziert. Denn das stimmt meines Erachtens nicht. Die folgenden drei Zitate sind zwar schon „älter“ (Juni 2006), passen aber nach wie vor gut zu diesem zeitlosen Problem.
Patrick Breitenbach stellt im www.werbeblogger.de fest:
So Freunde aus Berlin, es reicht. 3 Jahre hat es nun gedauert bis ich sie auspacken muss. Die sogenannte “Living Room Policy†von Shel Israel. Wir haben hier das Hausrecht, ihr sitzt in unserem Wohnzimmer, in unserem Haus, in unserem Blog. Wir führen hier angeregte Dialoge, Streitgespräche und Meinungsverschiedenheiten mit anderen Menschen. Ja mit Menschen – nicht mit Titeln. Aber eins dulden wir jedenfalls in Zukunft nicht mehr, sich wiederholende, stumpfsinnige und anonyme Beleidigungen. […] Also, letzte Warnung, entweder ihr diskutiert hier einigermaßen normal oder ich muss von unserem Hausrecht Gebrauch machen. Schreibt doch bitte eure eigenen Blogs, in denen ihr in Ruhe andere Menschen bepöbeln könnt. Danke für euer Verständnis.
Auch Martin Röll äußert sich zum Thema „Kommentarmoderation“, wenn auch deutlich drastischer (siehe auch www.roell.net):
Man lösche die Kommentare. Gleich. Ruhe. Idioten gibt es immer. Wenn man denen eine Plattform für anonyme Beleidigungen bietet, wird sie genutzt werden. Böte man sie nicht, müssten sich die Trolle eigene Plattformen suchen oder bauen. Das tun sie normalerweise nicht – es ist zu aufwändig. Und selbst wenn sie es tun: Sie müssen dann erst gefunden werden. Nach Beleidigungen suchen aber nur wenige. Es wird dann viel ruhiger. Mir gefällt das – deshalb moderiere ich meine Kommentare. Man muss das nicht machen: die Idee von „Free Speech“ im eigenen Blog hat durchaus Charme und manchmal entsteht selbst aus den anonymen Beleidigungen noch was Wertvolles. Aber ich kann so besser schlafen. Und mir macht die Diskussion mehr Spaß, wenn nicht immer Trolle reinschreien.
Udo Vetter kommentiert unter www.lawblog.de:
Ich habe nicht behauptet, dass ich der erste bin, der was über das Impressum des BMG schreibt. Ich erhebe auch keine Exklusivitätsansprüche. Andererseits habe ich aber auch keinen Grund, 5700 Google-Treffer auszuwerten und allen Leuten, die vielleicht schon mal was dazu geschrieben haben, die Referenz zu erweisen. Falls also es noch jemand für nötig hält, dumme, meist überhebliche und teilweise sogar beleidigende Sprüche dazu abzusondern, dass dies alles schon mal irgendwo im Netz erwähnt war, wird auch dieser Kommentar gelöscht. Ich sehe keinerlei Grund, dieses Gesülze hier stehenzulassen. Und wer hierüber eine Diskussion beginnen will, startet sie bitte in seinem eigenen Weblog. Ohne Trackback. Ich wünsche rege Anteilnahme.
Ich gehe ebenfalls davon aus, dass ein Bloginhaber jederzeit jeden Inhalt seines Blogs korrigieren oder löschen kann – und zwar ohne Angabe von Gründen. Und dies gilt besonders für die Kommentare. Dabei ist nicht einmal ein vorheriger Hinweis erforderlich, sei es neben dem Kommentarfeld, in eigenen „Kommentarregeln“ oder sonstwo. Es ist vielleicht etwas „netter“, die potentiellen Kommentatoren über bestimmte Rahmenbedingungen zu informieren – nötig ist es aber nicht.
Die einzige Veränderung, die ich für „unzulässig“ halten würde, ist die gezielte Verfälschung bzw. Erweiterung eines Kommentars um Dinge, die der ursprüngliche Absender nicht geschrieben hat. Ein solches „In-den-Mund-Legen“ wäre sicherlich ganz schlechter Stil – und vielleicht sogar strafrechtlich relevant. Aber alles andere liegt in der Hand des Bloggers, ob er nun die Regeln veröffentlicht oder nicht.
Insofern kann ich zwar den Ärger eines Kommentators über eine überreichte „Rote Karte“ durchaus verstehen, wundere mich aber nach wie vor über die mancherorts geforderte Rechtfertigung bzw. Begründung. Denn dies wäre ebenso unberechtigt wie ein Vorwurf der „Zensur“. Denn was der Blogger in seinem „Wohnzimmer“ – sprich: seinem Blog – macht, ist und bleibt seine Sache.
Den Kern des Problems brachte aber Robert schon im Februar 2006 sehr treffend auf den Punkt (siehe auch www.basicthinking.de/blog[3]):
In 100% aller Fälle stellt der Blogautor seine eigenen Regeln auf, wann er Kommentare löscht bzw. gar nicht erst zulässt. Das nennt sich dann Hausrecht.
Mir fällt in Gesprächen und Blogbeiträgen auf, daß man bei Corporate Blogs eine sehr tolerante Kommunikationskultur einfordert. Kritiken sollen zugelassen werden, Beleidigungen nicht (ok, Konsens), Off-Topics möglicherweise auch, das Unternehmen sollte sich idealerweise gar zu jeglicher Kritik seitens der Kunden auf dem eigenen Blog oder in fremden Blog äussern. Wehe, man löscht, moderiert bzw. zensiert Beiträge. Das ist nicht Ausübung des Hausrechts, sondern es heisst dann sofort, das Unternehmen möchte doch eh nur positive Kommentare hören. Unabhängig der Schärfe der Kritik. Sprich, den Unternehmen wird eine höchst tolerante Haltung abverlangt, die man möglicherweise selbst so nie auf dem eigenen Weblog vertritt.
Ein wenig erinnert mich dies an das Phänomen „Straßenverkehr“: Solange ich als Fußgänger unterwegs bin, ärgere ich mich über jeden Autofahrer, der mich am Zebrastreifen zur Seite springen läßt. Sobald ich aber selber im Auto sitze, ärgere ich mich wiederum über den Fußgänger, der – besonders gerne bei Nacht – im Schneckentempo über die Straße spaziert und mich möglicherweise zum Bremsen zwingt, um keine Kühlerfigur zu bekommen. In beiden Fällen wird jeweils die Rücksichtslosigkeit beklagt.
Letztendlich ist es doch ganz einfach: Wenn Blogger und Leser eine unterschiedliche Kommunikationskultur haben, dann wird der Leser eben zum Ex-Leser – und kann seinem Ärger in seinem eigenen Blog Luft machen. Und genau wegen dieser Alternative der Meinungsäußerung ist es meines Erachtens falsch, hier auch nur den Hauch von Zensur zu sehen.