Während unter www.heise.de[1] noch „Rechnungshof kritisiert private Internetnutzung in Berliner Verwaltung“ getitelt wurde, erregte der Titel bei www.spiegel.de wesentlich stärker mein Gemüt Interesse: „Private Surftouren für 50 Millionen Euro“
Und es ist in der Tat häßlich, aber nicht überraschend, was da laut taz der Landesrechnungshof Berlin festgestellt hat (siehe auch www.taz.de):
Insgesamt verfügen die Verwaltungen Berlins über schätzungsweise rund 60.000 bis 70.000 Computer mit Internetanschluss. Durch die missbräuchliche Verwendung von Arbeitszeit und Internetnutzung der Staatsdiener entstehen dem Land jährlich Kosten im Bereich von „deutlich über 50 Millionen Euro“, so der Bericht.
Der Betrag an sich ist schon „beeindruckend“. Wirklich erschreckend wird es aber, wenn man diese Werte auf die gesamte Bundesrepublik hochrechnet, was ich im folgenden in zwei Varianten versuchen möchte:
Variante A
Basis: Werte des Statistischen Bundesamtes für 2005, siehe auch www.statistik-portal.de):
Beschäftigte Berlin („Berlin“): 140.200
Beschäftigte öffentlicher Dienst („BRD“): 4.599.000
Berechnung: BRD / Berlin x 50 Millionen = 1.640.156.919 Euro – oder kurz gesagt: 1,6 Milliarden Euro!
Variante B
Laut www.statistik-portal.de[2] entstanden im Jahr 2005 dem Land Berlin 6,642 Mrd. Euro Personalkosten. Umgerechnet auf die 140.000 Beschäftigten (und ca. 1.600 Arbeitsstunden pro Jahr) kostet die einzelne Stunde knapp 30 Euro. Wenn man nun die laut einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln (siehe auch „Private Internet-Nutzung am Arbeitsplatz„) „als nicht übermäßig einzustufende“ Surfzeit von 100 Stunden pro Jahr ansetzt, entspricht dies knapp 3.000 Euro „Surfkosten“ pro Person. Bei 70.000 Computern würde dies auf jährliche Surfkosten von bis zu 200 Millionen Euro nur für das Land Berlin bzw. mehr als 6 Milliarden Euro für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst hinauslaufen.
Internet-Nutzung / Tag
Schauen wir uns nun noch kurz die tägliche Surfzeit an, die sich aus beiden Varianten ergeben würde. Wenn man den vom Landesrechnungshof genannten Schaden auf die Zahl der Computer bezieht, betragen die jeweiligen Kosten 713 Euro jährlich; bei einem durchschnittlichen Stundensatz von 29,60 Euro entspricht dies 24 Surfstunden pro Jahr. Die Zeit für die private Internetnutzung beträgt daher bei Variante A 7 Minuten pro Arbeitstag (bei 200 Tagen pro Jahr).
In Variante B wären es etwa 30 Minuten pro Arbeitstag (100 Stunden auf 200 Arbeitstage). Nicht nur an Arbeitsplätzen „mit Publikumsverkehr“ dürfte es allerdings schwer werden, eine halbe Stunde mit (privatem) Surfen zu verbringen – und die im Urteil genannten Werte sind sicherlich als Maximal- und nicht als Durchschnittswerte zu sehen. Die 7 Minuten (auf Basis der Rechnungshofs-Werte) scheinen mir allerdings sehr plausibel und auch realisierbar zu sein.
Erwähnenswert ist dann noch der Versuch des Berliner Innensenators Ehrhart Körting, die Höhe des „Schadens“ herunterzuspielen (siehe www.heise.de[2]):
Für abwegig halte er auch, aus der vermeintlich überwiegend privaten Nutzung des Internets einen Schaden von 50 Millionen Euro für das Land zu konstruieren, sagte Körting. Dieser geschätzte Schaden beruhe auf „tiefstem Gewerkschaftsdenken“, wer privat im Internet unterwegs ist, arbeite nicht und verschwende öffentliches Geld. „Nein, es kommt nicht nur auf die Zeit an, es kommt auf die Leistung an“, betonte der Innensenator. Es gebe eine Dienstvereinbarung für die öffentliche Verwaltung, das Internet nur in Ausnahmefällen privat zu nutzen. „Doch es ist weltfremd, die private Nutzung ganz verbieten zu wollen, wenn die Mitarbeiter ihren Job top erledigen.“
Es ist sicherlich erfreulich, dass sich der Innensenator vor seine Mitarbeiter stellt. Das Argument hinkt allerdings ein wenig: Auch wenn die Mitarbeiter die geforderte Leistung erbringen, kann etwas mit Stellenzuschnitten und Arbeitsplatzbeschreibungen nicht stimmen, wenn noch Zeit für private Surftouren verfügbar ist – egal ob nun 7 oder 30 Minuten pro Tag. Es würde mich nicht wundern, wenn dieses Argument als Bumerang den Kopf des Innensenators kostet trifft.
Fazit
Man kann sich insgesamt durchaus über die Belastbarkeit der genannten und berechneten Zahlen streiten. Gerade die Werte der Variante B dürften angesichts des wachsenden Leistungsdrucks auch im öffentlichen Dienst nur schwer zu erreichen sein. Und selbst die vom Landesrechnungshof ermittelten Werte basieren auf stichprobenartiger Erhebung der aufgerufenen Seiten, ohne die zeitliche Dimension zu berücksichtigen.
Andererseits befürchte ich, dass der Umfang der privaten Internet-Nutzung am Arbeitsplatz mit 7 Minuten pro Tag bestenfalls einen Minimalwert darstellt und wohl eher als Spitze des Eisbergs anzusehen ist…
Ich glaube übrigens nicht, dass es hier einen erwähnenswerten Unterschied zwischen öffentlichen oder privaten Arbeitgebern gibt. Obwohl, einen kleinen Unterschied gibt es dann doch: Die Privatunternehmen bzw. deren Beschäftigten verschwenden nicht auf diese Weise mindestens 1 Milliarde „unserer“ Steuergelder pro Jahr!
Insofern ist es ganz sicher nicht damit getan, nur auf die Berliner Senatsverwaltung zu blicken – ich sehe leider keinen Grund, warum das Problem nicht genauso bei allen anderen öffentlichen Verwaltungen auftreten sollte. Es wundert mich daher schon, warum noch niemand obige Berechnungen angestellt hat. Oder liege ich mit meinen Berechnungen und Ãœberlegungen so sehr falsch? Irgendwie hoffe ich das jedenfalls… 👿
>Ich glaube übrigens nicht, dass es hier einen erwähnenswerten Unterschied zwischen öffentlichen oder privaten Arbeitgebern gibt.
Ich habe neulich mit einem Bekannten gesprochen, Angestellter eines Frankfurter Geldinstitutes. Er erzählte mir, dass man in „seinem“ Unternehmen, ebay, amazon und verschiedene Flirt- und Singlebörsen nicht mehr ansurfen könnte. Es hat dort wegen dem exzessiven Surfen am Arbeitsplatz im Vorfeld der Sperrung etliche Gespräche und interne Schreiben gegeben – alles fruchtlos. Die Sperrung war die einzige Lösung, er sagt, es hätte dort Beschäftigte gegeben, die weit über eine Stunde/Tag privat im Netz unterwegs gewesen wären.
Ich denke, in kleineren Firmen oder (bei Institutionen) Arbeitsgruppen, ist dieses Verhalten wegen der besseren Ãœbersichtlichkeit und „sozialen Drucks“ der Kollegen nicht so extrem ausgeprägt.
>Die Privatunternehmen bzw. deren Beschäftigten verschwenden nicht auf diese Weise mindestens 1 Milliarde “unserer†Steuergelder pro Jahr!
Das stimmt! Allerdings ist ein derartiges Verhalten von Beschäftigten ein Schaden für das Unternehmen und asozial gegenüber Kollegen, die uU den durch private Aktivitäten entstandenen Leistungsverlust, kompensieren müssen.
@Yehuda: Dein Beispiel der Bank bestätigt doch den „Unterschied“ erneut: Der wirtschaftliche Druck bzw. Schaden sorgt dafür, dass Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Wenn man die zitierte Haltung des Berliner Innensenators als Beispiel nimmt, ist man sich dagegen „im öffentlichen Dienst“ nicht mal des Problems bewußt – geschweige denn, dass ähnliche Maßnahmen bzw. Ãœberlegungen im Raum stehen würden…
Im Hinblick auf die „soziale“ Komponente solcher Aktivitäten gegenüber den Kollegen stimme ich dir zwar ebenfalls zu. Allerdings gibt es noch viel mehr Möglichkeiten, die eigene Arbeitszeit zu Lasten der Kollegen zu verplempern (z.B. an der Kaffeemaschine, im Raucherzimmer bzw. in der Raucherecke, mit privaten Telefongesprächen). Bei den beiden ersten Beispielen mag ja zumindest zum Teil ein dienstlicher Hintergrund denkbar sein, aber es sind doch häufig immer die gleichen Kandidaten, die für solche „Nebentätigkeiten“ in Frage kommen…
>ist man sich dagegen “im öffentlichen Dienst†nicht mal des Problems bewußt – geschweige denn, dass ähnliche Maßnahmen bzw. Ãœberlegungen im Raum stehen würden…
Wie denn auch, im Öffentlichen Dienst schneidet man generell Riemen aus anderer Leute (=Steuerzahler) Haut…
>es sind doch häufig immer die gleichen Kandidaten, die für solche “Nebentätigkeiten†in Frage kommen…
Es ist – wie immer – eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Menschen die einen nicht unerheblichen Teil ihrer bezahlten Arbeitszeit mit „Nebentätigkeiten“ verbringen handeln unkollegial und firmenschädigend. Für mich ist die diesbezüglich Gedankenlosigkeit und Ignoranz der Beteiligten – egal ob beschäftigt im Öffentlichen Dienst oder privatwirtschaftlich – ziemlich unfassbar, gerade in der heutigen Zeit.
BTW: Du hast irgendein technisches Problem, NACH dem Absenden meines ersten Kommentars, wurde folgende Fehlermeldung ausgegeben:
(Fehlermeldung gelöscht durch Stefan Evertz)
Drastisches, aber durchaus passendes Bild. Man (ich) lernt offenbar nie aus 😉
Zu den „Nebentätigkeiten“ sollte man noch ergänzen, dass es nicht nur unfassbar, sondern eigentlich schon dumm ist, so zu agieren. Denn meines Wissens stellt ein solches Verhalten in aller Regel einen Abmahnungsgrund dar, der einen ersten Schritt hin zur Kündigung bedeuten würde – gerade in Zeiten, wo in der Privatwirtschaft immer wieder 10.000fach Arbeitskräfte
„freigesetzt“ werden, wäre eine solche Abmahnung eine gute Basis, bei betriebsbedingten Kündigungen als erster dranzukommen…
Danke für den Hinweis zur Technik (habe die Original-Fehlermeldung oben gelöscht) – da scheinst du irgendwie in die Mühlen meiner Spam-Filter geraten zu sein, sorry.
Jungs.. welcher Chef hat allen Ernstes den Mors in der Buchs, derart in die persönliche Freiheit des Einzelnen einzugreifen, demjenigen als Raucher die Kippe zu verwehren? Die cops müssen, trotz bundeseinheitlicher Nichtraucheregelungen für ALLE Gebäude im Staatsdienst (bis auf den Bundestag und die Parlamente..haha) den Konsum von Zigaretten während des Aufenthalts ermöglichen, alles andere wäre sonst bei schweren Rauchern als Körperverletzung und somit strafrechtlich zu würdigen (hats schon gegeben, kein Mist). Also.. verklag ich eben meinen Chef und schlag anstatt der Abmahnung noch ne Abfindung drauf. So what?
@Knipser: Ohne hier die Nichtraucherregelungen vertiefen zu wollen, gehe ich davon aus, dass die Polizei als Landesbehörde zur Durchsetzung dieser Regelungen „im eigenen Haus“ verpflichtet ist, sobald ein entsprechendes Gesetz im jeweiligen Bundesland in Kraft tritt. Voraussetzung ist natürlich, dass alle Einrichtungen des Landes von einem solchen Gesetz betroffen sind (keine Ahnung).
Ich gehe aber auch davon aus, dass ein Arbeitnehmer keine Chance hat, ein solches Rauchverbot juristisch aufheben zu lassen. Genauso wird er meines Erachtens damit leben müssen, sich bei einer maschinellen Zeiterfassung für die Zigarettenpause ausstempeln zu müssen, sofern im gesamten Gebäude Rauchverbot herrscht.
Die Arbeitsleistung dürfte hier Vorrang vor der persönlichen Freiheit des Einzelnen haben. Schließlich geht es ja nicht darum, dem Mitarbeiter vorzuschreiben, was er in seiner Freizeit (oder in seiner Pause) macht, sondern um seine Aktivitäten während der Arbeitszeit…