Google schwankt zwischen gut und böse (Update)

von Stefan Evertz am 25.01.06 um 16:33 Uhr |

Gerade noch stand Google als „eher gut“ da, als man dort vor einer Woche die Anfrage des US-Justizministeriums ablehnte, Daten über eingegebene Suchwörter und indizierte Websites herauszugeben. Besonders fiel dabei das ausdrückliche Lob der Bürgerrechtsorganisation „Electronic Frontier Foundation“ für diese Haltung auf (siehe auch im englischen original unter www.eff.org sowie bei www.heise.de[1] und www.golem.de[1]), während sich der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar in einem Interview besorgt über die „Begehrlichkeiten nach Suchanfragen“ äußerte (siehe auch www.heise.de/ct). Yahoo und andere Mitbewerber von Google waren da im Hinblick auf die Herausgabe der Daten weit weniger zurückhaltend (siehe auch www.spiegel.de).

Der passende Kommentar zur usprünglichen Anfrage des US-Justizministeriums ist übrigens bei www.spreeblick.com zu finden:

Ich hingegen möchte von der US-Regierung wissen, welche Pillen die Beamten im Laufe einer Woche eingenommen haben und fordere Einsicht darüber, wieviele Tassen bei der Suche in ihrem Schrank gefunden werden. Das würde mir erstmal reichen.

Nun wogt aber offenbar eine Welle der Kritik auf den Suchmaschinenanbieter mit dem inoffiziellen Leitspruch „Don’t be evil“ (deutsch:“Sei nicht böse“, siehe auch www.nzz.ch) zu, nachdem die im Rahmen der neuen chinesischen Suchmaschine „google.cn“ praktizierte Zensur bekannt wurde (z.B. durch einen Bericht bei www.heise.de[2]):

Zum Start des Dienstes räumte das Internetunternehmen am Mittwoch ein, dem Druck der chinesischen Regierung nachgegeben zu haben und selbst aktiv politisch heikle Themen zu filtern. „Um in China operieren zu können, haben wir einige Inhalte von den Suchergebnissen entfernt, die www.google.cn zur Verfügung stellt.“

Die Menschenrechtsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ verurteilt die Entscheidung von Google unter www.reporter-ohne-grenzen.de scharf:

Nutzer der neuen Seite ‚google.cn’ werden nur auf Material zugreifen können, das von der chinesischen Regierung freigegeben ist. Unabhängige Informationen zu Themen wie Demokratie, Menschenrechte oder Tibet wird die größte Suchmaschine der Welt in China nicht listen. Damit dürften auch kritische Seiten, die bislang in China nicht gesperrt sind, kaum noch zu finden sein.

Etwas ausführlicher wird die Haltung von Google in einem unter www.golem.de[2] zitierten Interview beleuchtet:

Google selbst sieht die Sache freilich anders und bezeichnete die Umsetzung von Google.cn gegenüber dem Wall Street Journal als akzeptable Balance zwischen den chinesischen Gesetzen und der Firmenphilosophie, alle Informationen der Welt zugänglich zu machen. Eine zensierte Version von Google erfülle dieses Ziel mehr als wenn die Suchmaschine überhaupt nicht in China angeboten werde, begründet Andrew McLaughlin, Senior Policy Counsel bei Google, das Verhalten gegenüber der Zeitung.

Google steht mit dieser Entscheidung zwar nicht alleine, da die beiden größten weltweiten Mitbewerber Yahoo und MSN besagte „Selbstzensur“ in China bereits schon seit längerem praktizieren.

Wenn ich mir nun aber überlege, welche Konsequenzen eine zensierte Google-Version – angesichts eines Marktanteils von mindestens 90% – für die restliche Welt hätte, dann wird es Zeit sich wirklich Sorgen zu machen. Das Image (und nicht zuletzt auch die Philosophie) von Google lassen eine solche Zensur zwar eher unwahrscheinlich erscheinen (siehe auch www.google.de), aber diese Vermutung bzw. Hoffnung hat schon den Chinesen nicht geholfen.

Wie sich dieses Monopol entwickelt, bleibt letztendlich abzuwarten. Ich bin allerdings schon jetzt sicher, dass es für den „chinesischen Weg“ kein weiteres Lob der EFF geben wird…

(u.a. via www.golem.de[2])

Update 25.01.06, 22:32 Uhr:
Spiegel Online berichtet erneut über die Selbstzensur und stellt unter dem Titel „Google wird böse“ fest (www.spiegel.de[2]):

Auch wenn sich die Manager im Google-HQ noch immer einreden, sie seien nicht böse – mit ihrem Kotau vor den chinesischen Machthabern haben sie heute viel von der Sympathie verspielt, mit der sich die Suchmaschine in wenigen Jahren zur wichtigsten Marke im Web entwickelt hatte.

Ich konnte mich nur noch dunkel an etwaige Filteraktivitäten von Google in der Vergangenheit erinnern, so dass ich doch etwas überrascht über diese Liste von Domains war, bei denen die Suchergebnisse in Deutschland bzw. Frankreich bereits von Google gefiltert werden: blog.outer-court.com (englisch)

(Domain-Liste gefunden bei bloggingtom.ch)

Update 27.01.06, 11:51 Uhr:
In Amerika hat nun der „chinesische Weg“ Google auch in die politische Arena geführt:

Einem Bericht bei www.golem.de[3] zufolge wurde mittlerweile vom Kongressabgeordneten Chris Smith eine Anhörung initiiert (siehe auch news.ft.com, englisch):

Bei der Debatte soll aber nicht nur Google im Zentrum stehen, sondern man will allgemein das Engagement von US-Suchmaschinenanbieter auf dem chinesischen Markt unter die Lupe nehmen

Und www.intern.de weiß sogar bereits das Datum:

Für den 16. Februar wurde vom Menschenrechts-Ausschuss im US-Repräsentantenhaus eine Anhörung angekündigt, zu der unter anderem Google, Yahoo, Microsoft und Cisco eingeladen sind.


Google hat nun auch die offiziellen FAQ auf die „neue Linie“ angepasst.

Hier die alte Fassung (nicht mehr online, zitiert nach blog.outer-court.com[2]):

Does Google censor search results?Google does not censor results for any search term. The order and content of our results are completely automated; we do not manipulate our search results by hand. We believe strongly in allowing the democracy of the web to determine the inclusion and ranking of sites in our search results.

Und hier die neue Fassung, abrufbar unter www.google.com/support

Does Google censor search results?
It is Google’s policy not to censor search results. However, in response to local laws, regulations, or policies, we may do so. When we remove search results for these reasons, we display a notice on our search results pages. Please note: For some older removals (before March 2005), we may not show a notice at this time.

blog.outer-court.com[2] verweist noch auf einen weiteren Eintrag in den Google-FAQ (siehe auch www.google.com/support[2], der vermutlich auch angepasst werden dürfte:

As you may know, Google is a reflection of the web. Although we aggregate and organize content published on the web, we donÂ’t control the content itself.
ItÂ’s our policy not to police or censor content.

Aktuell scheint dies übrigens bereits der Fall zu sein, da in der Online-Fassung im letzten (zitierten) Satz die beiden Worte „or censor“ fehlen…

(via www.blogh.de)

Update 20.03.06, 12:13 Uhr:
Nachdem vor einer knappen Woche am 14.03. in Kaliforniern (USA) der Prozess gegen Google um die Herausgabe der Suchprofile an das US-Justizministerium begonnen hatte (siehe auch www.golem.de[4]), wurde nun das Urteil verkündet (siehe www.heise.de[3]):

Google muss dem Justizministerium eine Zufallsstichprobe von 50.000 im Volltextindex der Suchmaschinen verzeichneten Adressen aushändigen. Nicht durchsetzen konnte sich das Justizministerium mit seiner Forderung, Google solle außerdem 5000 zufällig ausgewählte Suchanfragen aushändigen.

(via www.golem.de[5])

Ein Gedanke zu „Google schwankt zwischen gut und böse (Update)

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