Ob wirklich etwas dran ist: Keine Ahnung. Aber angeblich führt Google Gespräche, um den Videohoster YouTube (www.youtube.com) für 1,6 Milliarden Dollar zu kaufen.
Aus der Sicht von Google würde eine solche Ãœbernahme sicherlich Sinn machen, wie eine aktuelle Besucher-Auswertung in einem Artikel des Wall Street Journal zeigt (siehe unten; Artikel online nicht mehr frei verfügbar, ähnliche Zahlen habe ich unter www.searchenginejournal.com gefunden). Dort liegt Google derzeit auf Platz 3 hinter YouTube (Platz 1) und den Videos von MySpace (Platz 2); durch die Ãœbernahme würde Google unangefochtener Marktführer werden. Ob dies den berichteten Kaufpreis allerdings rechtfertigt, müssen wohl die Buchhalter bei Google beurteilen…
Wesentlich spannender als das bislang unbestätigte Gerücht finde ich allerdings die Geschwindigkeit der Verbreitung (die im folgenden genannten Zeiten sind jeweils MESZ).
9:18 Uhr
Michael Arrington berichtet im Blog „Techcrunch“ seinem Blog von einem „Completely Unsubstantiated Google/YouTube Rumor“ (siehe auch www.techchrunch.com und geht dabei von einer Wahrscheinlichkeit von 40% aus, dass das Gerücht stimmt. Basis seiner Meldung: Eine E-Mail sowie eine zweite Quelle, die sowohl das Vorhandensein des Gerüchts als auch den kolportierten Kaufpreis bestätigen.
17:21 Uhr (+ 8 Stunden)
Das Wall Street Journal berichtet in seiner Online-Ausgabe unter online.wsj.com (07.10.06, 15:59 Uhr: Artikel mittlerweile nur noch für Abonnenten verfügbar) über die Kaufgespräche. Quellen: „a person familiar with the matter“ sowie die bei TechCrunch genannten Gerüchte.
19:59 Uhr (+10,5 Stunden)
Reuters veröffentlicht eine Meldung (siehe de.today.reuters.com), über die Kaufgespräche, die schnell in den deutschen Medien verbreitet wird (siehe auch news.google.de). Quellen der Agentur-Meldung: Der Artikel des Wall Street Journal und das „zuvor von einem Internet-Blog gemeldete ‚unbegründete Gerücht'“.
Es hat also nur etwas mehr als 10 Stunden gedauert, auf Basis einer E-Mail, einer telefonischen Bestätigung, eines Blog-Eintrags, einer weiteren Person, eines Journalisten (des Wall Street Journal) und einer Agentur-Meldung eine ganze Reihe von Meldungen in namhaften deutschen Medien über die mögliche Übernahme von YouTube durch Google vorzufinden. Eigentlich eine erschreckend kleine Zahl von Elementen für eine so große Wirkung, auch wenn man sicherlich den Ruf von TechCrunch und Wall Street Journal nicht unterschätzen sollte.
Die hohe Geschwindigkeit finde ich jedenfalls beeindruckend (und die Meldung wäre wohl noch schneller verbreitet worden, wenn der „auslösende“ Blog-Artikel nicht um 3 Uhr New Yorker Zeit veröffentlicht worden wäre). Und wenn YouTube an der Börse gehandelt würde, würden mir jetzt wohl Begriffe wie „Insidergeschäfte“ in den Sinn kommen 🙄
Update 07.10.06, 15:59 Uhr:
Offenbar bin nicht nur ich über die etwas dünne Quellen- bzw. Faktenlage gestolpert. Thomas Knüwer hat sich unter blog.handelsblatt.de/indiskretion ebenfalls mit dem – leider nur noch für Abonnenten verfügbaren – Artikel des Wall Street Journal beschäftigt:
Das „WSJ“ sieht eigentlich dem Zwei-Quellen-Prinzip verpflichtet. Sprich: Bekommt ein Redakteur Wind von einer Sache, muss er eine zweite Quelle finden, die diese Information zumindest ansatzweise bestätigt. Deshalb heißt es in Berichten über Fusionen meist, die Informationen kämen von „people who are familiar with the matter“. Im Google-Artikel heißt es aber bemerkenswerterweise:
„Web-search giant Google is in talks to acquire YouTube for roughly $1.6 billion, a person familiar with the matter says.“
„A person“ deutet auf nur eine Quelle hin. Erst der Sicherheitshinweis, dass alles noch schief gehen könnte (der für US-Medien auch eine Art Rückversicherung ist, um nicht von Anlegerschutzanwälten verklagt zu werden) spricht von mehreren Personen: „The discussions between Google and YouTube are still at a sensitive stage and could break off, says the person familiar with the matter.“
OK, der letzte Punkt passt wohl eher nicht, da die (korrekt) zitierte Aussage ebenfalls von einer einzelnen Person spricht. Aber ansonsten wird deutlich, dass hier möglicherweise das beschriebene – und zu Recht weitverbreitete – Zwei-Quellen-Prinzip beim WSJ-Artikel nicht eingehalten wurde.
Und auch die These zur Frage der „Motivation“ der denkbaren undichten Stelle finde ich durchaus nachvollziehbar (siehe blog.handelsblatt.de/indiskretion):
Und deshalb wird es erst beim letzten Satz des Artikels richtig interessant. Er lautet:
„Google and YouTube share a common backer in venture-capital firm Sequoia Capital, which helped finance Google during its early days and has provided funding to YouTube.“
Mein Tipp: Sequoia sieht eine Riesenchance gewaltig Kasse zu machen. Verhandlungen gibt es, aber sie stocken. Und deshalb will der Kapitalgeber Druck ausüben. Möglicherweise auch auf einen anderen Mitbieter, der noch zögert.
Es dürfte also spannend bleiben. Und bis weitere Details durchsickern, schaue ich mal, ob ich noch meine alte VHS-Aufnahme von „Wall Street“ (siehe auch german.imdb.com) finde – die Szenen, in denen Charlie Sheen (als „Bud Fox“) dem WSJ-Redakteur vertrauliche Tipps gibt, fand ich schon immer am besten 🙄
Update 08.10.06, 14:53 Uhr:
Ãœber www.golem.de bin ich auf einen weiteren Artikel bei der New York Times gestossen (siehe auch www.nytimes.com), der ebenfalls gestern das Thema aufgriff:
Google is in discussions to acquire YouTube for $1.6 billion, people involved in the talks said yesterday.
Das klingt ja zumindest nach mehreren Quellen…
Update 10.10.06, 05:15 Uhr:
Aus den „40% Wahrscheinlichkeit“ des ersten TechCrunch-Artikels sind gestern abend 100% geworden: Google hat YouTube für 1,65 Mrd. Dollar (1,31 Mrd. EUR) gekauft (siehe auch investor.google.com). Eine lesenswerte Zusammenfassung der turbulenten letzten Stunden (und Meldungen) findet sich übrigens bei Robert unter www.basicthinking.de/blog.
Insofern haben die Gerüchte gestimmt. Aber angesichts der extrem schnellen Verbreitung der doch etwas dünnen Faktenlage bleibt irgendwie ein schaler Nachgeschmack…