Für weniger Premium: Mittelmaß galore!

von Stefan Evertz am 28.04.13 um 14:14 Uhr |

Vinyl Für viele mag es eine Relikt der Vergangenheit sein: Die Platte / CD, die man sich als ganzes kaufte. Es war (oft) nicht alles gut, aber es gehörte halt zu einem Paket. Und so hörte man sich auch manches Lied an, das erst beim dritten oder vierten Hören überzeugte – dann aber umso stärker.

Das alles mag einem im Zeitalter von iTunes und Amazons MP3-Download fast schon lächerlich vorkommen, denn heute kann man sich seine Playlist passgenau aus den Top Hits und aus seinen persönlichen Lieblingstiteln zusammenstellen, wie man es gerade möchte. Endlich nur noch Premium – das ist doch toll, oder?

Und auch in Sachen Essen fällt mir das immer mehr auf, speziell in Sachen Fleischverzehr: Anstelle des Sonntagsbratens ist schon lange der tägliche Fleischkonsum getreten. Da wird unter der Woche essen gegangen, gerne auch mehrfach die Woche. Und immer mehr Menschen räumen ein, nicht mehr kochen zu können und zu wollen. Und das schließt heute auch einfachste Gerichte mit ein – oder eben aus.

Ähnliches scheint sich auch in Sachen Reisen fortzusetzen. Denn immer mehr Angebote setzen auf die extreme Perspektive – sei es eine Fahrt mit der transsibirischen Eisenbahn, Tauchen mit Haien vor Südafrika, ein Flug in die Stratosphäre oder direkt auf eine Raumstation. Und das Angebot auf den modernen schwimmenden Kreuzfahrt-Fun-Palästen a la Aida erhebt schon lange nicht mehr den Anspruch, dass man als Gast eine Chance hat, alles wirklich ausnutzen zu können – dazu reicht einfach die Zeit nicht mehr.

Häagen-Dazs Vanilla

Letztendlich kann man es aber am besten mit Häagen-Dazs sagen. Ich esse gerne Eis – und besonders gerne Häagen Dazs. Und die Krönung aller Sorten aus deren Haus ist Vanille. Es gab eine Zeit, da habe ich es fast täglich gegessen. Aber das habe ich mir schon lange abgewöhnt.

Denn ich will nicht mehr jeden Tag das tollste Eis essen – das nutzt sich ab und ist dann einfach nichts Besonderes mehr. Genauso möchte ich nicht jeden Tag meine Favoriten essen. Stattdessen will ich versuchen, den kleinen, nicht ganz so spektakulären Dingen und auch der Abwechslung mehr Raum zu geben. Dazu gehört es auch, ein ganzes Album anzuhören oder eben auch mal nur eine kleine Reise oder einen „harmlosen“ Ausflug zu wagen.

Denn erst durch die weniger strahlenden Momente im Leben erkennen und wertschätzen wir die Highlights erst wirklich. Insofern: Es lebe das Mittelmaß 😉

Photo credit: stevecadman via photopin cc

6 Gedanken zu „Für weniger Premium: Mittelmaß galore!

  1. Stefan

    Toller Beitrag!
    Gerade wir Food- und Reiseblogger rennen einem Highlight nach dem nächsten nach und wollen immer über die eindrucksvollsten Destinationen, Hotels und Restaurants schreiben.

    Ich glaube ich werde später noch von meinem absolut mittelmäßigen Sonntagsausflug nach Bonn berichten, denn auch ich liebe und lebe das Mittelmaß!

  2. Philipp

    Hallo Stefan,

    danke für diesen Post. Sicher ist es für einen „frischen“ Vater wie ich einer bin einfach gesagt, aber schon vorher (jetzt umso mehr) schätze ich die regelmäßigen Kochabende bei uns im Haus. Da darf es auch mal Grützwurst mit Sauerkraut oder Leberkäse mit Zwiebeln sein. Denn auch „einfaches“ Essen kann wie ein Dry-aged Steak munden.

    Das mit dem reisen ist so eine Sache. Früher hatte man sicher nicht die Möglichkeiten wie heut, häufig merkt man aber, dass man selbst seine unmittelbare Umgebung kaum kennt. Wir versuchen es uns immer mal wieder einzurichten (auch in Kombination mit unserer Liebe zur Fotografie) eine kleine Reise ins Elsass, oder an den Bodensee zu unternehmen. Schöne Urlaubsziele gibt es auch ohne Flugzeug.

    Vielleicht ein schönes Thema bei einer Flasche Bier im Rahmen der re:publica!

    PS: Ben&Jerrys Half-baked ist mein Favorit!

  3. Dirk Olbertz

    Ich bin mit Deiner Quintessenz nicht ganz einverstanden. Wenn man sich an „Premium“ gewöhnt hat und nach einem neuen „Premium“ umschaut, kann man so auch neues entdecken und plötzlich ist das aktuelle „Premium“ nur noch Mittelmaß.

    Andererseits kenne ich das Gefühl das Du beschreibst nur zu gut. Ich empfinde dann aber Demut und mache mir klar, dass ich das, was ich heute habe früher als Luxus bezeichnet hätte.

    1. Stefan Evertz Beitragsautor

      Ãœber die Formulierung kann man sicher streiten (und ist auch ein wenig der dramatisierenden Zuspitzung geschuldet). Im Kern geht es mir aber genau um die beschriebene „Demut“ – Das Premium-Element bzw. Luxus ist ja per se nichts Schlechtes. Aber man sollte drauf achten, dass es etwas Besonderes bleibt. Oder wie ich an anderer Stelle schrieb: Es sollte nicht immer Kaviar sein…

  4. Kai Thrun

    Ich gebe dir meine volle Zustimmung, dass übermäßiger Premium-Konsum einem etwas den Zauber raubt. Mich treibt gerade ein ähnlicher Gedanke umher. Ich denke, es ist wichtig sich von Zeit zu Zeit wieder zu erden. So wie es für dich dass Eis ist, ist es für jeden etwas anderes. Ich glaube, dahinter steckt etwas anderes als Premium. Man hat vergessen für die „schönen Dinge“ im Leben einfach mal die Zeit anzuhalten. Sich auf etwas zu fokussieren – ein Eis z.B. – im hier und jetzt.

    guten Appetit 🙂

    1. Stefan Evertz Beitragsautor

      Den Gedanken mag ich – das An- und Innehalten. Ein wenig Carpe diem eben 😉 Und man sollte nicht vergessen, dass im skizzierten „Mittelmaß“ nicht nur negative Assoziationen stecken, sondern eben auch viele schöne „kleine“ Momente, wenn auch vielleicht nicht die spektakulärsten …

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