Was an Streiks wirklich nervt

von Stefan Evertz am 24.03.13 um 18:57 Uhr |

Prankster Beamte dürfen es nicht, Arbeitnehmer der Kirchen und ihrer karitativen Einrichtungen erstaunlichwerweise auch nicht (siehe „Streik“ in der WIkipedia), bei vielen Berufsgruppen merkt man es nicht mal direkt (in Krankenhäusern, etc.), und wenn es im Flugbereich passiert, merke ich es als Viel-Bahnfahrer nur indirekt (durch Züge, die plötzlich noch mehr gefüllt und überlastet sind als sonst): Ja, ich rede von Streiks. Und einer Sache, die dabei wirklich nervt.

Dabei habe ich generell nichts gegen Streiks, ganz im Gegenteil. Es ist eine, oft sogar die einzige Möglichkeit von Angestellten, ihre Forderungen bei Tarif-Verhandlungen mit Arbeitgebern zu unterstreichen bzw. durchzusetzen. Das mag gelegentlich für alle Beteiligten sehr mühsam werden und auch durchaus nachhaltig schlechte Auswirkungen haben. Ich erinnere mich z.B. dunkel an einen sehr langen Streik der KVB (ÖPNV) Anfang der 90er, der dauerhaft einen spürbaren Anstieg der Autos in Köln zur Folge hatte – zumindest fühlte es sich so an. Und natürlich kann man über die Verhältnismäßigkeit mancher Forderung in Tarifverhandlungen sehr streiten, unabhängig von der jeweilgen Seite des Verhandlungstisches…

Zugegeben: Ich bin kein Arbeitsrechtler, Arbeitgeber oder Gewerkschaftler. Aber in meinen „laienhaften“ Augen gibt es vor allem drei Motivationen für einen Streik:

  • Betriebsabläufe des Arbeitgebers stören, um wirtschaftlichen Druck aufzubauen (Umsatzeinbußen, Mehrkosten).
  • Demonstrieren, wie wichtig die streikende Berufsgruppe für das Unternehmen ist (Stärkung der Verhandlungsposition).
  • Öffentlichen Druck auf den Arbeitgeber aufbauen und für Solidarität der Kunden werben.

Spannend wird es hier beim dritten Punkt. Denn zum Beginn von Tarifverhandlungen liegt der moralische Vorteil in aller Regel noch bei den Arbeitnehmern und ihren Vertretern. Letztendlich klappt es aber regelmäßig, diesen Trumpf nicht auszuspielen. Wenn nämlich – wie jüngst geschehen – eine Gewerkschaft kurz vor einem Wochenende beschließt, am darauffolgenden Montag von 6-8 Uhr die Bahn zu bestreiken, dann ist das nichts anderes als der Versuch, alle Beteiligten maximal zu schädigen. Denn diese Zeit dürfte die meistfrequentierte Reisezeit der Bahn sein, da dann nicht nur die Tages- sondern auch die Wochen(end)-Pendler unterwegs sind. Niemand erwartet, dass ein Streik in den besonders selten frequentierten Zeiten stattfindet, aber da gibt es definitiv viele Möglichkeiten, die Verhältnismäßigkeit zu wahren.

Ein ähnlich unrühmliches Beispiel waren vor ein paar Jahren die von Streiks begleiteten Tarifverhandlungen der GdL (Gewerkschaft der Lokführer) mit der Bahn. Hier war es fast schon traurige Tradition, mittags zu schauen, ob der nächste Morgen streikfrei bleiben würde oder ob wieder keine geregelte Geschäfts- oder Dienstreise möglich sein würde. Manche Termine wurden so über Wochen hinweg geschoben.

Das Kernargument bei solchen kurzfristig angesetzen Streiks wird sein, dass man so der Bahn möglichst wenig Vorlauf geben möchte, hier noch rechtzeitig reagieren zu können. Aber die mangelnde Reaktionsmöglichkeit betrifft leider auch die Bahnkunden…

Insofern: Streiks sind gut und wichtig, liebe Gewerkschaften. Aber wenn ihr wirklich auf die Solidarität der Kunden setzen wollt, dann schaut lieber, was ihr da genau macht. Und auch ein rechtzeitig bekannt gemachter Streik stört die Bahn immer noch genug (da braucht es ja ohnehin nicht viel, wie wir wissen…) und erhält euch die Solidarität der Kunden. Und Formulierungen wie „um das Verständnis der Kunden werben“ möchte ich jedenfalls nur noch lesen, wenn es auch ernst gemeint ist!

Photo credit: Furryscaly via photopin cc

2 Gedanken zu „Was an Streiks wirklich nervt

  1. Gibro

    So ein Streik braucht aber auch Öffentlichkeit und die diskutiert das nur dann, wenn sie auch gestört wird. Öffentlichkeit erhöht wiederum den Druck auf die Arbeitgeber, denn die haben in der Tegel kein Interesse. Solange wir uns nur hinstellen und sagen ein Streik ist gut und ich bin auch auf der Seite der Kollegen, solange man selbst nicht betroffen ist, ist eigentlich gegen den Streik. Die Kollateralschäden sind immer groß, wenn Krankenschwestern, Lehrer oder Bahnpersonal streikt. Sag ich so, als Gewerkschafter :-).

  2. Fripi

    Als ich deienn Beitrag gelesen habe dachte ich erst mal „Naja, er hat ja einen Punkt.“ – Allerdings bei weiterem nachdenken muss ich sagen das du da sehr blauäugig bist und vermutlich selbst keine Streikerfahrung außerhalb der Opferrolle hast. Heutzutage werden Streiks gerne so geführt, dass man massenhaft Leiharbeiter einkauft (und die oft zu mieseren Lönen, so dass den Arbeitgeber ein Streik sogar billiger kommt) und so etwas nur durch Kurzfristigkeit bekämpft werden kann.
    Wieso streiken die GDLer nicht Montag 10-12 Uhr? Gerade weil es niemanden trifft, es macht natürlich einen wirtschaftlich hohen schaden wenn es viele Menschen betrifft, die Kunden müssen das spüren. Anstatt dann zu sagen die Gewerschaft/Streikenden sind schuld sollte man aber weiterhin dabei bleibe: Es gibt keinen Streik ohne Verhandlung. Es wurden also schon einmal Verhandlungen abgelehnt, kein Angebot unterbreitet oder ähnliches.

    In Stuttgart gab es Streikformen die bei der SSB ganz gut funktioniert haben: Die Werkstätten haben gestreikt, so das langsam immer mehr Bahnen ausgefallen sind, die Kontrolleure haben gestreikt (das war bekannt), so dass man umsonst fahren konnte und das Personal zur Automatenwartung und an den Schaltern hat gestreikt. Maximaler finanzieller Schaden durch kappung der Einnahmen, minimaler Schaden der Fahrgäste (obwohl der Arbeitgeber so entsetzt war, dass er an einem Tag das Werksgelände abgeschlossen hat damit niemand fahren kann…).
    So etwas geht aber nur wenn man als Gewerkschaft eine sehr Starke position hat und das ist leider sehr selten der Fall. Meistens kämpfen 20-30% der Belegschaft für die restlichen mit, auf der Basis kann man so etwas nicht machen.
    Und genau deswegen wird und muss es so bleiben wie du beschrieben hast. Andererseits kannst du natürlich fleißig für Gewerkschaften werben – dann bekommen wir vielleicht Bedingungen in denen es weniger Streiks gibt, weil die Arbeitgeber wissen was sie erwartet…

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