Geiz bleibt geil – Filesharing und Konsumverhalten

von Stefan Evertz am 04.12.05 um 18:52 Uhr |

Das Marktforschungsunternehmen Jupiter Research hat Ende November Ergebnisse aus der Studie „European Music Consumer Survey, 2005“ veröffentlicht (englische Pressemeldung unter www.jupitermedia.com, Kurzinfo zur Studie unter www.jupiterresearch.com). In der Meldung auf Heise heißt es hierzu:

Unter den jungen Verbrauchern im Alter von 15 bis 24 Jahren betrage der Anteil der Filesharer 34 Prozent, der damit besonders hoch sei. Nun warnt Jupiterresearch, wenn diese jungen Konsumenten nicht bald dazu Bereitschaft zeigten, für Musik Geld auszugeben, würden sie es auch künftig nicht tun. Die Marktforscher bezeichnen dies als „demografische Zeitbombe“ für die europäische Musikindustrie.

Ich war doch etwas überrascht von der Einschätzung, dass sich dies erst „künftig“ auswirken würde. Die „Geiz ist geil“-Mentalität hat sich doch längst wie ein Virus verbreitet – und das nicht nur wegen der „schlechten Zeiten“ und auch nicht nur auf Musik und Filme begrenzt.

Das Konsumverhalten, das sich in stetig wachsenden Umsatzsteigerungen der Discounter zeigt, hat doch bereits dazu geführt, dass bei einem Produkt der Preis weit wichtiger geworden ist als die Qualität. Die Angebote der Discounter sind zwar durchaus mit Skepsis zu genießen (einen netten Kommentar zum Thema findet man z.B. bei mmbf.de), werden aber weiter fleißig gekauft. Die Produktqualität ist im Zweifelsfall schlechter als bei den „Markenprodukten“, dafür sind sie eben billiger.

Insofern stellt sich mir nicht die Frage, ob erst künftige Generationen ein preisfixiertes Kaufverhalten an den Tag legen werden: Wir alle tun es bereits jetzt, sei es im Hinblick auf Musik, Filme (siehe auch „Kostengünstiges Futter für die DVD-Sammlung„) oder eben das Raclette von Tchibo.

Auch wenn ich als Kunde günstige DVDs oder (im Einzelfall) die Produkte des Discounters bzw. deren niedrige Preise zu schätzen weiß, kristallisiert sich für die Dienstleister und Händler mittlerweile ein echtes Problem heraus: Wie sollen sie den „angemessenen“ Preis für ihre Dienste bzw. Produkte bekommen…? Auf Anhieb sehe ich hier leider keine Lösung 🙁

Eine weitere Folge dieses „Geiz“-orientierten Konsumverhaltens sollte man nicht vergessen. Wichtige Vorbedingung für niedrige Kosten bzw. Preise sind die z.T. schlechten Arbeitsbedingungen vor Ort in den Filialen der Discounter, gegen die sich auch diverse Organisationen einsetzen (siehe auch www.verdi.de, www.attac.de). Auch die Medien greifen dieses Thema immer wieder auf (aktuell z.B. der SWR mit der Sendung „Die Billigheimer – Discounter und ihre Methoden“ am 05.12.2005, siehe auch www.swr.de).

Auf der anderen Seite könnte die „gefühlte“ Tendenz zum Discounter auch rückläufig sein, glaubt man jedenfalls der Anfang Oktober veröffentlichten Studie „Markenprofile 11“ des stern (siehe auch www.gujmedia.de). Zitat aus der Pressemeldung auf www.pressportal.de:

Konsumenten kehren zur Qualität zurück. Doch der Einkommensdruck bleibt. „Die Rückkehr der Qualität“, lautet der Untertitel der neuen stern-Untersuchung. Er beschreibt einen beginnenden Umdenkprozess bei den Konsumenten.

Zum Schluß sei jedenfalls noch auf eine „Rede“ zum dritten Geburtstag des Slogans „Geiz ist geil“ verwiesen, die ihr unter www.konsumfreu.de nachlesen könnt.

(via www.heise.de, www.golem.de, www.pcwelt.de, www.kulturblog.de)

3 Gedanken zu „Geiz bleibt geil – Filesharing und Konsumverhalten

  1. Hermann Palmer

    Noch nicht einmal, wenn jeder Titel nur 2 Cent kosten würde, fiele es mir auch nur im Traum ein, für den Mist zu bezahlen.
    Im Fernseher kommt nur Mist, im Radio kommt nur Mist und die Gebühren dafür machen mir ein schlechtes Gewissen.
    Nirgends bekommt man weniger für sein Geld.
    Dafür auch noch zusätzlich zu bezahlen grenzt doch an Schwachsinn.
    Ich sehe mit Spannung dem Tag entgegen, an dem die Nachrichten auch noch in Englisch gesprochen werden.
    Das bisschen Musik, was ich brauche, spiele ich selbst.

  2. Stefan Evertz Beitragsautor

    Genau das (Qualitätsanspruch und Verhältnismäßigkeit des Preises) sind meines Erachtens die Argumente, die die Nutzer von Filesharing verwenden – wenn auch mit einer anderen Konsequenz 😉

  3. Christoph von Brincken

    Die Amis klaun den Irakern das Öl, der BND foltert mit, und die Politiker lügen, dass sich die Balken brechen, nur wenn es den Konzernen an den Profit geht, wird von Moral und Kriminalität geschwafelt.
    Auch unsere – immerhin formal existente -Demokratie kam durch Aufstände gegen den „rechtmässig und legal“ herrschenden Adel zustande.
    So ähnlich, wie der DDR die Bürger wegliefen – da half auf Dauer auch keine Mauer – so ähnlich verliert die Musikindustrie ihre Kunden. Auch wenn sie Filesharer per iStasi bespitzeln und einige nach Bautzen schicken – die digitale Revolution findet statt.

    Kann es sein, dass

    1. die Leute immer weniger Geld in der Tasche haben und deshalb sparen.

    2. Vor lauter „Geiz ist Geil“ Propaganda ernst machen und mit Edonkey schonmal ihren eigenen Sozialismus von unten proben.

    3. CDs insgesamt eher out sind – bei Plattenpreisen von 100 Euro für 200 GB extern und HighEnd Formaten wie FLAC und APE.

    4. Gute (Musiker-)Soundkarten wie die „Audiophile 2496“ oder die „EMU 0404“ für 80 bzw. 90 Euro so gut wie 500-800 Euro CD Player klingen ?

    5. So ein eigener MP3 / FLAC / APE Computer doch wesentlich komfortabler ist als CDs, die springen und hängen können, in ein Laufwerk einzufüttern?

    Wie dem auch sei – früher oder später wird Masse in Qualität umschlagen, es werden nur noch LOSSLESS Musik Daten heruntergeladen und die jungen Leute von heute werden in 30 Jahren ihre grauen Häupter schütteln und den Verlust guter Sitten und sonstiger Werte betrauern – bei der Jugend von Ãœbermorgen.

    … ich persönlich lob mir ja meinen Röhrenverstärker von Anno 1965 und Schallplatten … man bin ich out …

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