Mehr Menschen auf die Podien!

von Stefan Evertz am 09.03.14 um 15:11 Uhr |

MIT Forum hosted at UM Auch 2014 zeigt ein Blick auf die reinen Zahlen: Auf den Vortragsbühnen und Podien unseres Landes stehen weitaus mehr Männer als Frauen. Repräsentativ dürfte das nicht sein. Zumindest kenne ich viele kompetente und viele eher nicht kompetente Menschen. Manche davon sind Frauen, manche Männer – einen Zusammenhang zwischen Geschlecht und Kompetenz habe ich da nie gesehen und sehe ihn auch heute noch nicht. Insofern sollte es eigentlich kein Problem sein, eine 1:1 Verteilung hinzubekommen – zumindest theoretisch.

Das ändert aber leider wenig an den Tatsachen: Frauen sind im Konferenz- und Vortragsbereich unterrepräsentiert. Und so kann ich durchaus die Motivation hinter dem Netzwerk der Digital Media Women verstehen, ebenso wie Selbstverpflichtungen auf persönlicher Ebene ebenso wie für eine ganze Konferenz, die konsequent eine Quoten-Regelung erreichen wollen (siehe auch die Speaker-Regelung der re:publica (zitiert aus den Mails):

Bitte denkt daran, dass die Zahl der Sprecher (inklusive Moderator) vier nicht übersteigen darf und mindestens die Hälfte der Gruppe aus Frauen bestehen muss.

Original-Text:
Please bear in mind that the number of speakers (including the moderator) cannot exceed four and at least half of the team should be female.

Ich habe da zwar schon länger die – subjektive und noch nicht ernsthaft geprüfte – „80 Prozent“-These im Kopf. Diese These geht davon aus, dass Männer auch bereit sind, auf ein Podium zu gehen (z.B. für einen Vortrag), wenn sie nicht zu 100 Prozent im Thema sind – die gefühlte Schwelle liegt bei besagten 80 Prozent. Frauen sind da tendenziell „ehrlicher“ – die Kompetenzschwelle für das Betreten eines Podiums liegt eher bei 100%.

Ein – in meinen Augen besonders erfolgversprechender – Ansatz zur Problemlösung könnte in einem entsprechenden „Coaching“ und der konkreten Unterstützung von Frauen liegen, um obige Schwelle zu überspringen. Das scheint in vielen Netzwerken zumindest ansatzweise zu passieren, auch wenn es scheinbar nicht den Tätigkeitsschwerpunkt darzustellen scheint. Ein weiterer, zuletzt mindestens schon zweimal beobachteter „Hebel“ scheint der Aufbau von Sprecherinnen-Datenbanken zu sein. Spätestens an der Stelle geht aber leider meines Erachtens schnell der Sinn solcher Bemühungen verloren.

Denn so wird ein solches Tool immer mehr zu einer Alibi-Funktion, um schnell noch „eine Frau fürs Panel zu finden“ – schade und nicht zukunftsweisend. Stattdessen sollten solche Datenbanken von vorneherein geschlechtsneutral angelegt sein. Und das würde auch die Integration von männlichen Profilen beinhalten. Denn so kann man dann zunächst nach Themen und konkreten Vorträgen suchen – und dann später schauen, wer genau das ist. Denn nur so schafft man meines Erachtens eine solide Recherchebasis und vor allem ein Bewusstsein dafür, dass das Geschlecht an dieser Stelle keine Rolle spielen muss und darf. Und ganz nebenbei hebt man die im Rahmen solcher Speakerinnen-Datenbanken sonst fehlende Gleichberechtigung der Männer auf. Nicht umsonst wird im Personalbereich bei Bewerbungen immer mehr Alter, Geschlecht und auch das Photo ausgeblendet, um zumindest halbwegs objektiv bei der Auswahl bleiben zu können.

Nur so kann man wirklich die passenden Menschen für einen Vortrag oder eine Podiumsdiskussion finden – denn darum geht es doch letztendlich, oder? Denn es geht nicht primär darum, mehr Frauen auf die Podien zu bekommen (so wichtig dieser Aspekt auch ist), sondern mehr von den richtigen Menschen eine Plattform zu bieten – mir ist das zumindest sehr wichtig. Insofern kann ich uns eigentlich nur wünschen: Mehr Menschen auf die Podien! Und das ein paar Menschen die Energie haben, eine solche „neutrale“ Datenbank aufzubauen. Also, wer machts?

Photo credit: alexdecarvalho via photopin cc

13 Gedanken zu „Mehr Menschen auf die Podien!

  1. Caro

    Das sehe ich ganz anders. Ich verstehe deinen Grundgedanken, der ja auch impliziert, dass nicht alle Männer auf den heutigen Bühnen etwas taugen. Aber Männer brauchen in dem Bereich nun wirklich keine weitere Bühne. Meine Befürchtung ist, dass aus einer solchen Datenbank viele Veranstalter dann doch eben wieder die Männer rausziehen, zumal diese in der deutlichen Überzahl sein dürften.
    Ich wünschte auch, eine gesonderte Betonung von Frauen sei nicht nötig, aber bis wir irgendwann soweit sind, halte ich Projekte wie die DMW-Datenbank oder speakerinnen.de sogar für absolut notwendig.

    1. Stefan Evertz Beitragsautor

      Mir geht es vor allem darum, dass es mir völlig egal ist, welches Geschlecht eine kompetente Person hat. Und ich würde es begrüßen, eine Datenbank zu haben, wo ich spannende Menschen zu den diversen Themen finde – ohne eben aufs Geschlecht zu achten oder achten zu müssen.

      Und deine Befürchtung mag ja stimmen, was die „Motivation“ von (einzelnen) Veranstaltern betrifft – denen wäre dann allerdings auch nicht mit gesonderten Datenbanken beizukommen. Ansonsten halte ich eine neutralisierte / neutralisierbare Datenbank wirklich für den besten und auch konstruktivsten Weg. Ansonsten ziehen wir wieder verschiedene, sich quasi nicht berührende „Filterblasen“ auf. Und das nutzt nun wirklich niemand.

  2. Su C. S.

    gerne auch hier wiederhole ich mich: Genaugenommen hast Du recht, Hauptsache, es nimmt mal jemand eine öffentlich zugängliche, auffindbare Liste in Angriff. Das ist die eine Seite. Die andere ist, sich grundlegende Gedanken über dieses „Konferenzing“ zu machen. Das mache ich gerade. Und ich bastle an einem anderen Konzept – mit anderen Angeboten. Das könnte dieses „wir haben keine gefunden “ und „wir wollen auch dabei sein“ und „warum habt ihr nicht gefragt“ und all dieses ändern. Wir müssen darüber reden, bis es sich geändert hat. Sonst ändert sich nichts. Und tun. Da hast Du recht. Wir müssen auch etwas tun. Wir müssen nicht kopieren, nur weil es da schon etwas gibt. Auch das ist richtig. Kann es nicht eine Möglichkeit sein, diese eine Datenbank parallell aufzubauen, und sie dann zusammenzuführen? Manchmal braucht es eigene Räume, um die Kompetenzen zu sehen, wahrzunehmen und auch zu respektieren – gegenseitig. Dann kann es auch gemeinsam funktionieren. Alles braucht seine Weile.

    1. Stefan Evertz Beitragsautor

      Habe halt den Eindruck, dass da ganz viel Energie für das „Dagegen sein“ drauf geht. Und für das Aufbauen von Alternativen (die dann sehr stark auf Frauen fokussieren). Die Energie wäre möglicherweise in einer gemeinsamen, wie skizziert neutralen Datenbank besser und sinnvoller investiert – so zumindest mein Eindruck…

  3. Nicole

    Es gibt die geschlechtsneutralen Datenbanken ja schon, in denen Du nach Themen suchen kannst. Zwei Beispiele:
    http://www.germanspeakers.org/experten.html
    http://www.refe-rent.de

    Und wenn dort die Verteilung Frauen zu Männer 50 zu 50 beträgt, und dann auch die Verteilung auf den Podien entsprechend nachzieht, geben wir die Frauen-Speakerlisten gerne auf.

    Und in der Zwischenzeit nehmen wir uns weiter des Coachings und der konkreten Unterstützung der Frauen an, denn Männer kommen anscheinend ohne aus.

    1. Stefan Evertz Beitragsautor

      Hmm, vielleicht wurde das nicht deutlich – mit geschlechtsneutral meinte ich, dass man bestimmte Infos ausblenden kann (wie im besagten Bewerbungs-Ansatz). Die von dir genannten Datenbanken sind somit nicht geschlechtsneutral, da ich natürlich sofort sehe, ob Mann oder Frau.

      1. Nicole

        Aber du kannst die Themen aussuchen, und dann erst siehst du das Geschlecht. Das finde ich neutraler als die Besetzung von Podien vermuten lässt.

  4. Christa Goede

    Hallo Stefan,

    hach, wenn es so einfach wäre … das wäre toll ;o)) Leider haben wir es hier mit einem tief verwurzelten, strukturellen Problem zu tun, das noch viele weitere Auswirkungen hat. Anbei zwei SPON-Links der letzten Tage:
    – „Der Verdienstabstand zwischen Frauen und Männer stagniert seit Jahren bei 22 bis 23 Prozent.“ http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/weltfrauentag-frauen-im-beruf-verdienen-weniger-als-maenner-a-957534.html
    – „Deutschland hat nach SPIEGEL-Informationen im Verhältnis weniger weibliche Chefs als alle anderen Wirtschaftsnationen der Welt. Selbst in den arabischen Emiraten gibt es mehr Frauen in Spitzenfunktionen.“ http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/deutschland-hat-weniger-chefinnen-als-alle-anderen-wirtschaftsnationen-a-957688.html

    Eine Rednerinnen-Liste ist also auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein der Ungerechtigkeit, die in vielen Bereichen zwischen den Geschlechtern bis heute herrscht. Aber sie ist ein Instrument, das wir Frauen selbst kontrollieren können, für dessen Qualität wir selbst sorgen können, dessen Inhalte wir selbst schaffen können – und das für ALLE frei zugänglich ist. Ausreden zählen immer weniger, die ungerechten, systemimmanenten Strukturen hinter all diesen „Zufällen“ werden sichtbarer.
    Das Tolle daran ist: Gemeinsam können wir daran arbeiten, dass es in Zukunft gerechter zugeht auf deutschen Podien und in deutschen Unternehmen. Denn selbstverständlich ist hier auch die Mitarbeit der Männer gefragt!

    Liebe Grüße sendet
    Christa

    1. Stefan Evertz Beitragsautor

      Stimme dir im Hinblick auf das generelle Problem ja zu (und habe das oben auch geschrieben). Und eine RednerInnen-Liste (wie auch immer sie genau strukturiert sein mag) wird das Problem nicht in einem Rutsch lösen.

      Ich glaube aber nach wie vor, dass die Argumentation „Hier findest du die besten und kompetentesten“ Menschen zu folgenden Themen“ sehr viel erfolgreicher und auch nachhaltiger ist als der Ansatz „Hier findest du die besten und kompetentesten Frauen zu folgenden Themen“ (und damit dann eine Lösung für das Problem, dass du gerade Kritik hörst, weil du nicht genügend Frauen auf dem Podium hast).

      Wie schon kommentiert geht es mir hier nicht um die Konferenz-Kuratoren, die Männer bevorzugen (die mag es geben, schätze ich), sondern um die, die auf dem Geschlechtsauge blind sind und trotzdem keine Kandidatinnen finden.

      1. Carolin Neumann

        Aber das ist es ja gerade: Auf dem Geschlechtsauge sind so viele blind – ich halte es deswegen, solange eben keine annähernd paritätischen Verhältnisse auf den Bühnen herrschen, für umso wichtiger, die Geschlechterfrage im Gegenteil zu _betonen_.

        1. Stefan Evertz Beitragsautor

          Dann haben wir da wohl ein unterschiedliches Begriffsverständnis – für mich ist jemand auf dem Geschlechtsauge blind, dem es egal ist, welches Geschlecht eine Person (auf einem Panel, etc.) hat. Davon scheint es offenbar noch viel zu wenige zu geben, wie die aktuelle Situation zeigt.

  5. Christa Goede

    Wir werden ein uraltes Problem nicht in einem Rutsch lösen, das ist klar. Aber wir können viele Teilchen zu einem großen, gerechten Puzzle zusammensetzen – ausdauernd, nachdrücklich und kompetent. Und damit meine ich Frauen UND Männer ;o))

    Es spricht doch nichts dagegen verschiedene Plattformen zu haben, oder? Ich bin gerne dabei, wenn es eine weitere geschlechtsanonymisierte Plattform gibt! Und ich bin mal so frei zu behaupten, dass das auch für viele andere Frauen gilt ;o))

    Liebe Grüße,
    Christa

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