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Die Offline-Medaille

von Stefan Evertz am 27.07.09 um 12:03 Uhr |

Lights
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In den letzten Tagen bin ich über zwei lesenswerte Texte gestolpert, die sich mit den beiden Seiten der gleichen Medaille beschäftigen – der Kommunikation rund um das Zugangserschwerungsgesetz:

Im ersten Text („Fünf Irrtümer über die Piratenpartei“, futurezone.orf.at, via www.jensscholz.com) geht es (neben der Korrektur der erwähnten Fehleinschätzungen) auch um die Art und Weise, wie die Offline-Welt (im konkreten Fall „die Politiker“) versucht, die „Onliner“ zu erreichen. Und dabei scheitert:

Bei der Diskussion über das Netzsperrengesetz in Deutschland hat sich beispielhaft gezeigt, dass Menschen, die es gewohnt sind, mit Computern und Code umzugehen, mit symbolischer Politik nicht zufriedenzustellen sind. Im Netz schafft der Code die Wirklichkeit, und wenn in ihm ein Zeichen nicht stimmt, dann funktioniert er nicht. Es ist daher nicht besonders klug, einer Klientel, die unter diesen Bedingungen lebt und arbeitet, einreden zu wollen, dass Stoppschilder im Internet etwas gegen Kinderpornografie ausrichten können. Es ist noch weniger intelligent, dieser Klientel mit Umfragen und Statistiken begegnen zu wollen, die diese mittels ihrer Kompetenz im Umgang mit informationstechnischen Systemen innerhalb weniger Sekunden demontieren kann. Und es muss Menschen, die es gewohnt sind, ihre eigenen Systeme zu administrieren, zynisch vorkommen, wenn eine Regierung eine zentral verwaltete geheime Sperrliste von Internet-Adressen ausgerechnet unter dem Vorwand der Kinderpornobekämpfung durchsetzt.

Im zweiten Text, dem Editorial „Das virtuelle Volk“ der aktuellen c’t (s.a. www.heise.de), geht es um die andere Seite der Medaille – nämlich darum, dass all die Argumente und auch die Empörung der „Onliner“ nicht in die Offline-Welt vordringen – sie bzw. wir finden einfach kein Gehör:

Währenddessen sitzen die Politikdinosaurer im Café, blättern durch die Zeitung und freuen sich, wie gut das neue Gesetz beim Volk ankommt. Die Bild hat sie gelobt; Mütterchen haben sich auf der Straße bedankt, dass endlich was gegen den bösen Kinderschänder von nebenan passiert.

Im Reich der Bits und Bytes wird das Murren derweil immer lauter. 134015 Leute haben mit Name und Adresse eine Online-Petition gegen das Gesetz unterschrieben. Es hat ein Zeichen gesetzt, aber nichts geholfen. Wir müssen gegen dieses Gesetz auf die Straße gehen! Tausende, Zehntausende rufen online zum Protest auf. Ein paar Hundert versammeln sich an Ort und Stelle; der Rest drückt daheim F5 – mal lesen, wie es gelaufen ist.

[…]

Derweil sitzt im Café neben dem Politiker ein Lobbyist, dessen Augen leuchten, wenn er an die Potenziale dieses Stoppschilds denkt. Der Lobbyist verwendet einfache Sätze und spricht ganz leise. Der Politiker hört ihn trotzdem – im Unterschied zu den Abertausenden, deren digitaler Aufschrei in seiner analogen Welt nie ankommt.

Für mich war selten so konkret greifbar wie in diesen beiden Texten, wie sehr in Sachen „Zensursula“ aneinander vorbei geredet wird – und es dabei kaum noch gelingt, auch mal der Gegenseite zuzuhören.

Irgendwo in diesem Spannungsfeld zwischen diesen beiden Polen Positionen sitzt ein dickes Problem. Und es wird stetig weiter wachsen, wenn nicht beide Seiten dazulernen…

Flickr und die Nacktfotos

von Stefan Evertz am 07.08.08 um 9:07 Uhr |

Ich muss gestehen, dass ich mit der im Sommer 2007 neu eingeführten Zensur nicht abschaltbaren „Safe Search“-Funktion beim Bilder-Host Flickr leben kann (siehe auch www.golem.de) – wenn ich dadurch vor nicht unbedingt erwünschten optischen Eindrücken geschützt werden kann (siehe auch www.spiegel.de):

Die Münchner Webdesignerin Natascha Okroy beschwert sich: „Ich kann nun zum Beispiel einige wunderschöne, kunstvolle Aktfotografien meiner Kontakte nicht mehr sehen.“

Meine „Kontakte“ z.B. bei Xing mögen es mir verzeihen, aber ich habe da eigentlich keinen Bedarf. Oder habe ich die Webdesignerin am Ende falsch verstanden?

Irgendwie muss ich jedenfalls bei dem – durchaus mißverständlichen – Spiegel Online-Zitat an eine Erkenntnis von Dirk Olbertz in zum Thema „Spam-E-Mails“ denken (siehe olbertz.de):

Ein erschreckender Gedanke: wenn ich mehrmals täglich per Mail Oben-Ohne-Fotos meiner Nachbarin angeboten bekomme, heisst das dann auch, dass meine Nachbarn Oben-Ohne-Fotos von mir kriegen können?

(Anmerkung: Ja, der Beitrag lag hier ziemlich lange – genauer gesagt: seit über einem Jahr – im Entwürfe-Ordner herum, aber ich fand es einfach zu schade, ihn „wegzuschmeissen“. Und die besagten Spam-Mails kommen schließlich heute noch…)

Doppelplusgut: GEZ verschickt Abmahnung als Wortwächter (Update 1-2)

von Stefan Evertz am 23.08.07 um 16:23 Uhr |

Nein, ich bin kein Anwalt. Und der müsste ich wohl sein, um zu verstehen, warum bzw. auf welcher rechtlichen Basis die GEZ eine Abmahnung verschickt hat (siehe www.akademie.de):

Die Gemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hat die Wissensplattform akademie.de über die Rechtsabteilung der GEZ abgemahnt: akademie.de soll sich dazu verpflichten, „nicht existente“ bzw. „falsche“ Begriffe wie „GEZ-Gebühren“, „PC-Gebühr“, „Gebührenfahnder“, „GEZ-Anmeldung“ oder „GEZ-Abmeldung“ nie wieder zu verwenden. Das Verbot wird damit begründet, die Nutzung der Begriffe diene nur dazu, „ein negatives Image der GEZ hervorzurufen“.

Der „Imageschaden“, der sich z.B. aus der Verwendung des Begriffs „GEZ-Gebühren“ ergibt, habe ich bisher nicht gesehen. Es ist daher der GEZ zu danken, dass sie den Missstand falscher bzw. nicht existenter Begriffe endlich thematisiert hat und an der Wurzel bekämpfen will. Mit den aktuell mindestens 7 Milliarden Rundfunkgebühren pro Jahr klappt das sich auch noch mit den anderen 223.000 Suchtreffern, die Google bei der Suche nach „GEZ-Gebühren“ ausspuckt (www.google.de).

Und wenn ihr gerade dabei seid: Es heißt „das Blog“, nicht „der Blog“.

Ich gebe zurück an die angeschlossenen Funkhäuser 👿

P.S.: Es ist ein merkwürdiger Zufall, dass offenbar Bernd Röthlingshöfer zeitgleich die gleichen Assoziationen bei diesem Thema hatte wie ich (siehe auch berndroethlingshoefer.typepad.com). Oder vielleicht ist es auch einfach nur gesunder Menschenverstand.

Update 23.08.07, 22:38 Uhr:
Eigentlich wollte ich dieses Update mit den Worten beginnen, dass „es sich zunehmend offenbart, dass die GEZ die Akzeptanz ihres wichtigen und hehren Projekts zumindest in Teilen falsch eingeschätzt hat – dies zeigen zumindest die zahlreichen Reaktionen innerhalb der Blogosphäre“. Langsam wächst aber mein Unbehagen, dass hier Ironie als Mittel nicht mehr ausreichen könnte.

In jedem Fall haben zwischenzeitlich zwei „Medien“ den Fall aufgegriffen. Während bei www.golem.de im wesentlichen die Angaben von akademie.de wiedergegeben werden, zeigen die Recherchen von heise.de, dass nicht nur im Hinblick auf die Forderungen der GEZ noch Fragen offen sind (siehe auch www.heise.de):

„Die GEZ will unsere Mandanten mundtot machen“, vermutet Rechtsanwalt Sebastian Biere, der akademie.de vertritt. Sollten sich seine Mandanten tatsächlich bereit erklären, in ein paar Punkten eine Unterlassungserklärung abzugeben, stelle sich allerdings die Frage, wem gegenüber das geschehen solle – aus der Forderung selbst geht das nicht hervor. Die Verwaltungsgemeinschaft von ARD, ZDF und Deutschlandradio ist laut Selbstbeschreibung keine juristische Person. „Die GEZ ist im Grunde nichts anderes als ein Rechenzentrum, das sagt sie im Ãœbrigen auch selbst“, meint Biere. So stelle sich die Frage, wer einen solchen Anspruch, so er denn bestünde, überhaupt geltend machen könne. […]
Die GEZ wollte sich zu dem „laufenden Verfahren“ nicht äußern, verwies aber auf Signale der Gegenseite, eine modifizierte Unterlassungserklärung abgeben zu wollen. Ob ähnliche Forderungen künftig auch den Redaktionen von Spiegel, Focus oder Süddeutsche Zeitung ins Haus stehen, wollten die Kölner auf Nachfrage nicht sagen.

Ich könnte mir jedenfalls vorstellen, dass hier noch weitere Medienreaktionen erfolgen werden – Spiegel Online wäre z.B. ein Kandidat mit nicht unerheblicher Reichweite. Die GEZ dürfte dieses Echo jedenfalls nicht kalt lassen – zumindest hoffe ich das.

Und dem Team von akademie.de wünsche ich gute Nerven, ein bisschen Mut und viel Erfolg, damit hier kein katastrophaler Präzedenzfall entsteht. Ãœber die Angelegenheit wird man dort jedenfalls nicht mal schmunzeln können – da bin ich sicher 🙄

Update 24.08.07, 10:26 Uhr:
Soeben hat Spiegel Online das Thema aufgegriffen und gibt weitere Details aus dem Abmahnungsschreiben wieder (siehe auch www.spiegel.de):

Die beiden anderen Themen, bei denen die GEZ eine Unterlassung verlangt, sind komplexer. Da geht es um die „falsche Darstellung der Rundfunkgebührenpflicht für neuartige Rundfunkempfangsgeräte“.

Die GEZ ist der Meinung, die Behauptungen in den Artikeln auf Akademie.de würden auf einem falschen „Verständnis von Gesetzestext und -systematik beruhen“, seien daher falsch und zu unterlassen. Dietrich von Hase, Mitarbeiter der Redaktion bei akademie.de, erklärt dazu gegenüber SPIEGEL ONLINE: „Es geht um verschiedene Rechtsmeinungen. Beispielsweise, wann für betrieblich genutzte PCs überhaupt eine Rundfunkgebühr für PCs fällig wird.“

Die von der GEZ abgemahnten Behauptungen „im Sinne einer üblen Nachrede“ betreffen vor allem Texte auf Akademie.de, die von angeblichem Fehlverhalten der GEZ berichten. […] Die entsprechenden Passagen der beanstandeten Artikel auf Akademie.de lesen sich in der Tat oft vage und verallgemeinernd. […] Was zum Beispiel die Punkte zur üblen Nachrede angeht, wollen die Abgemahnten auch die entsprechende Erklärung gegenüber der GEZ anstandslos unterzeichnen. […]

Sobald die GEZ hier nachgebessert hat (Anmerkung SE: gemeint ist die schon bei heise.de angesprochene unpräzise Angabe des „Absenders“ der Abmahnung) , werde Akademie.de, so deren Anwalt Sebastian Biere gegenüber SPIEGEL ONLINE, eine modifizierte Unterlassungserklärung unterschreiben.

Es ist natürlich ärgerlich, dass sich hier Akademie.de zusätzlich mit dem möglicherweise zutreffenden Vorwurf der üblen Nachrede auseinandersetzen muss; Tatsachenbehauptungen mit entsprechenden „Belegen“ wären da sicherlich besser gewesen.

Es bleibt aber der Eindruck, dass hier die GEZ versucht, juristisch sowohl die eigenen Sprachregelungen durchzudrücken als auch die Veröffentlichung von (abweichenden) Rechtsmeinungen Dritter zu unterdrücken – und sollte dieser Eindruck stimmen, so darf sie damit nicht durchkommen. Möglicherweise müsste man überlegen, die „Grundgesetz-Aktion“ (siehe auch www.svenscholz.de) auch auf die GEZ auszudehnen…

Kommentare, Hausrecht und Zensur

von Stefan Evertz am 01.09.06 um 8:29 Uhr |

Der Umgang eines Bloginhabers mit den eingehenden Kommentaren dürfte wohl nach wie vor einer der am meisten diskutierten Aspekte der Blogosphäre sein. Egal ob es um das Thema „Spam“ geht (und somit in aller Regel um die effektivste Filterung bzw. Entsorgung) – oder eben um die Rückmeldungen von Lesern bzw. von deren Blogs. Im aktuellen Fall geht es drüben bei Robert unter www.basicthinking.de/blog um den „Streit“ zwischen zwei Fotobloggern, weil Blogger A in seinem Blog Kommentare von Blogger B gelöscht hat (die gelöschten Kommentare finden sich unter www.basicthinking.de/blog[2]).

Eines ärgert mich mittlerweile wirklich an Diskussionen wie diesen: Die schnell aufkommende Unterstellung, es würde Zensur praktiziert. Denn das stimmt meines Erachtens nicht. Die folgenden drei Zitate sind zwar schon „älter“ (Juni 2006), passen aber nach wie vor gut zu diesem zeitlosen Problem.

Patrick Breitenbach stellt im www.werbeblogger.de fest:

So Freunde aus Berlin, es reicht. 3 Jahre hat es nun gedauert bis ich sie auspacken muss. Die sogenannte “Living Room Policy” von Shel Israel. Wir haben hier das Hausrecht, ihr sitzt in unserem Wohnzimmer, in unserem Haus, in unserem Blog. Wir führen hier angeregte Dialoge, Streitgespräche und Meinungsverschiedenheiten mit anderen Menschen. Ja mit Menschen – nicht mit Titeln. Aber eins dulden wir jedenfalls in Zukunft nicht mehr, sich wiederholende, stumpfsinnige und anonyme Beleidigungen. […] Also, letzte Warnung, entweder ihr diskutiert hier einigermaßen normal oder ich muss von unserem Hausrecht Gebrauch machen. Schreibt doch bitte eure eigenen Blogs, in denen ihr in Ruhe andere Menschen bepöbeln könnt. Danke für euer Verständnis.

Auch Martin Röll äußert sich zum Thema „Kommentarmoderation“, wenn auch deutlich drastischer (siehe auch www.roell.net):

Man lösche die Kommentare. Gleich. Ruhe. Idioten gibt es immer. Wenn man denen eine Plattform für anonyme Beleidigungen bietet, wird sie genutzt werden. Böte man sie nicht, müssten sich die Trolle eigene Plattformen suchen oder bauen. Das tun sie normalerweise nicht – es ist zu aufwändig. Und selbst wenn sie es tun: Sie müssen dann erst gefunden werden. Nach Beleidigungen suchen aber nur wenige. Es wird dann viel ruhiger. Mir gefällt das – deshalb moderiere ich meine Kommentare. Man muss das nicht machen: die Idee von „Free Speech“ im eigenen Blog hat durchaus Charme und manchmal entsteht selbst aus den anonymen Beleidigungen noch was Wertvolles. Aber ich kann so besser schlafen. Und mir macht die Diskussion mehr Spaß, wenn nicht immer Trolle reinschreien.

Udo Vetter kommentiert unter www.lawblog.de:

Ich habe nicht behauptet, dass ich der erste bin, der was über das Impressum des BMG schreibt. Ich erhebe auch keine Exklusivitätsansprüche. Andererseits habe ich aber auch keinen Grund, 5700 Google-Treffer auszuwerten und allen Leuten, die vielleicht schon mal was dazu geschrieben haben, die Referenz zu erweisen. Falls also es noch jemand für nötig hält, dumme, meist überhebliche und teilweise sogar beleidigende Sprüche dazu abzusondern, dass dies alles schon mal irgendwo im Netz erwähnt war, wird auch dieser Kommentar gelöscht. Ich sehe keinerlei Grund, dieses Gesülze hier stehenzulassen. Und wer hierüber eine Diskussion beginnen will, startet sie bitte in seinem eigenen Weblog. Ohne Trackback. Ich wünsche rege Anteilnahme.

Ich gehe ebenfalls davon aus, dass ein Bloginhaber jederzeit jeden Inhalt seines Blogs korrigieren oder löschen kann – und zwar ohne Angabe von Gründen. Und dies gilt besonders für die Kommentare. Dabei ist nicht einmal ein vorheriger Hinweis erforderlich, sei es neben dem Kommentarfeld, in eigenen „Kommentarregeln“ oder sonstwo. Es ist vielleicht etwas „netter“, die potentiellen Kommentatoren über bestimmte Rahmenbedingungen zu informieren – nötig ist es aber nicht.

Die einzige Veränderung, die ich für „unzulässig“ halten würde, ist die gezielte Verfälschung bzw. Erweiterung eines Kommentars um Dinge, die der ursprüngliche Absender nicht geschrieben hat. Ein solches „In-den-Mund-Legen“ wäre sicherlich ganz schlechter Stil – und vielleicht sogar strafrechtlich relevant. Aber alles andere liegt in der Hand des Bloggers, ob er nun die Regeln veröffentlicht oder nicht.

Insofern kann ich zwar den Ärger eines Kommentators über eine überreichte „Rote Karte“ durchaus verstehen, wundere mich aber nach wie vor über die mancherorts geforderte Rechtfertigung bzw. Begründung. Denn dies wäre ebenso unberechtigt wie ein Vorwurf der „Zensur“. Denn was der Blogger in seinem „Wohnzimmer“ – sprich: seinem Blog – macht, ist und bleibt seine Sache.

Den Kern des Problems brachte aber Robert schon im Februar 2006 sehr treffend auf den Punkt (siehe auch www.basicthinking.de/blog[3]):

In 100% aller Fälle stellt der Blogautor seine eigenen Regeln auf, wann er Kommentare löscht bzw. gar nicht erst zulässt. Das nennt sich dann Hausrecht.
Mir fällt in Gesprächen und Blogbeiträgen auf, daß man bei Corporate Blogs eine sehr tolerante Kommunikationskultur einfordert. Kritiken sollen zugelassen werden, Beleidigungen nicht (ok, Konsens), Off-Topics möglicherweise auch, das Unternehmen sollte sich idealerweise gar zu jeglicher Kritik seitens der Kunden auf dem eigenen Blog oder in fremden Blog äussern. Wehe, man löscht, moderiert bzw. zensiert Beiträge. Das ist nicht Ausübung des Hausrechts, sondern es heisst dann sofort, das Unternehmen möchte doch eh nur positive Kommentare hören. Unabhängig der Schärfe der Kritik. Sprich, den Unternehmen wird eine höchst tolerante Haltung abverlangt, die man möglicherweise selbst so nie auf dem eigenen Weblog vertritt.

Ein wenig erinnert mich dies an das Phänomen „Straßenverkehr“: Solange ich als Fußgänger unterwegs bin, ärgere ich mich über jeden Autofahrer, der mich am Zebrastreifen zur Seite springen läßt. Sobald ich aber selber im Auto sitze, ärgere ich mich wiederum über den Fußgänger, der – besonders gerne bei Nacht – im Schneckentempo über die Straße spaziert und mich möglicherweise zum Bremsen zwingt, um keine Kühlerfigur zu bekommen. In beiden Fällen wird jeweils die Rücksichtslosigkeit beklagt.

Letztendlich ist es doch ganz einfach: Wenn Blogger und Leser eine unterschiedliche Kommunikationskultur haben, dann wird der Leser eben zum Ex-Leser – und kann seinem Ärger in seinem eigenen Blog Luft machen. Und genau wegen dieser Alternative der Meinungsäußerung ist es meines Erachtens falsch, hier auch nur den Hauch von Zensur zu sehen.

Die Macht der Bilder: Loose Change und der 11. September (Update)

von Stefan Evertz am 03.08.06 um 11:24 Uhr |

Bis vor kurzem ist die neueste Eruption in Sachen „Verschwörungstheorien zum 11. September“ weiträumig an mir vorbeigezogen. Erst durch einen Artikel bei www.spiegel.de wurde ich auf den Film „Loose Change“ aufmerksam, der über 80 Minuten hinweg den Nachweis versucht, die „amerikanische Regierung“ habe die Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon quasi inszeniert, um so einen schnellen und umfassenden Ausbau des amerikanischen Militär- und Sicherheitsapparats zu ermöglichen.

Den Film kann man sich mit deutschen Untertiteln nachfolgend ansehen (Weitere Informationen unter www.loosechange911.com):

http://video.google.com/videoplay?docid=-1272980089639960023

Auch wenn ich mir noch nicht den gesamten Film ansehen konnte, sind schon die bisher gesehenen Bilder sehr überzeugend. Gleichzeitig zeigt sich daran leider auch die enorme Macht solcher Bilder, die durchaus auch eine manipulative (oder besser „suggestive“) Wirkung haben können – Michael Moores „Fahrenheit 911“ ist hierfür ein überzeugender oder vielleicht auch abschreckender Beleg.

Und auch wenn besagtes „Ziel“ definitiv erreicht wurde, wie die jüngere Vergangenheit – nicht nur in Afganistan und im Irak – zeigt, sollte der Zuschauer gegenüber den Beweisen (Bildern, Videos und Zeugenaussagen) skeptisch bleiben, die zur Bestätigung dieser Verschwörungstheorien herangezogen werden – und auch gegenüber den daraus gezogenen Schlüssen. Denn es gibt auch zahlreiche Analysen, die sehr detailliert diverse sachliche Fehler im Film aufzeigen (siehe z.B. www.werboom.de).

Das Kernproblem solcher Verschwörungstheorien, die Vertrauenswürdigkeit der (staatlichen) Quellen, läßt sich gut an einer Aussage verdeutlichen („Punkt 1740“ in der vorgenannten Analyse):

„Wenn die Regierung ein für alle Male beweisen möchte, daß Flug 77 ins Pentagon geflogen ist, müsste sie nur eines dieser Videobänder veröffentlichen.“
Wenn auf den Bändern NICHTS zu sehen ist, was für alle Bänder anzunehmen ist, lässt sich herzlich wenig damit beweisen. Erscheint es nicht einigermaßen lächerlich, ein Video zu veröffentlichen, daß NICHTS zeigt? Derartig belangloses kann zudem im Dutzend nachträglich produziert werden, wenn man von einer Verschwörung ausgeht. Also denken Sie über IHRE Reaktion nach, wenn Sie ein 08/15 CCTV-Video sehen, daß vom FBI extra veröffentlicht wird und NICHTS zeigt….

Ausgehend von der These, dass der amerikanische Regierungsapparat ohnehin nur die Fakten manipuliert oder gar zensiert, besteht keine Möglichkeit, diese These zu widerlegen. Denn jede Aussage der Regierungsbehörden könnte dann ja ohnehin nur manipulierenden oder dementierenden Charakter haben.

Und so bleibt am Ende nur die Erkenntnis:

Bleibe skeptisch – und die Wahrheit ist irgendwo da draußen 😕

Update 09.09.06, 10:24 Uhr:
Bereits seit dem 17. August gibt es einen „Recut“ des Videos, wie der Macher Dylan Avery unter loosechange911.blogspot.com schreibt:

The 2nd Edition. Again. We’ve corrected a bunch of stuff, taken some stuff out, and left some things in.

Skeptics are still going to hate it, but hey, at least they get to write a whole new Viewer Guide.

Eine Liste der vorgenommen Änderungen habe ich leider nicht gefunden. Auf die Schnelle fiel mir nur ein vorangestellter „Disclaimer“ des Machers sowie die längere Laufzeit auf (89 statt bisher 81 Minuten).

Nachfolgend also die überarbeitete Fassung (wieder mit deutschen Untertiteln):
[flash]http://video.google.de/videoplay?docid=-7859909765349743827[/flash]